Dienstag, 7. Dezember 2010

Jazzclub Tonne verzichtet auf sein bewährtes Logo und gibt sich ein unglücklich wirkendes Zeichen



Das Logo von Jürgen Haufe, registriert im Deutschen Patent- und Markenamt (Abfrage 8.12.2010).



Im Februar 2002 ließ sich der Jazzclub Neue Tonne Dresden beim Deutschen Patent- und Markenamt die damals am meisten zeichenhafte und reduzierte, von Jürgen Haufe geschaffene Variante der »Trompeten«-Wort-Bildmarke schützen. Damals stand der noch junge Verein am Anfang seines Weges und musste sich mancher Konkurrenten erwehren, die den Begriff »Tonne« und das Logo für sich nutzen wollten.
Dem vorausgegangen waren mehrere verschiedene Logo-Varianten für die »Neue Tonne«-Vorgängereinrichtungen, die allesamt markenrechtlich nicht geschützt und die im Rahmen einer früheren Veröffentlichung vorgestellt worden waren.

Im November 2010 nun beging der Jazzclub Neue Tonne Dresden seinen zehnten Geburtstag. Anlässlich dieses Jubiläums benannte er sich in »Jazzclub Tonne Dresden« um, denn der Zusatz »neue« war längst nicht mehr nötig, und er gab sich eine neue Wort-Bildmarke, kurz: ein neues Logo.

Als Begründung für die Einführung des neuen Logos sollte die namentliche Umbenennung herhalten. Geschäftsführer Steffen Wilde am 9. November 2010: »Das neue Tonne-Logo wurde nötig, weil die Tonne ab 19. November wieder Tonne und nicht mehr Neue Tonne heißen wird.«

Doch hier fehlte es dem Verein wohl etwas an Kenntnis der eigenen Angelegenheiten, denn gewissermaßen im Vorgriff auf die Umbenennung hatte er bereits zu Jahresbeginn sein Logo verändert; die im Patent- und Markenamt geschützte Gestaltung wurde schon Ende 2009, Anfang 2010 um den Schriftzug »Jazzclub« erweitert, so dass »Jazzclub Tonne« entstand. Eine nochmalige Änderung des Logos im November 2010 wäre also zumindest aus Namensgründen nicht nötig gewesen.



Zu Beginn des Jahres 2010 wurde das Logo Jürgen Haufes durch den Schriftzug »Jazzclub« ergänzt – ein inhaltlich überflüssiger, weil Redundanz schaffender Eingriff.


Bereits mit dieser ersten Veränderung hatte der Verein den Wert seiner Wort-Bildmarke markenrechtlich gesehen aufgeweicht. »Eine Wort-Bildmarke ist nur in genau der Form geschützt, wie sie beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen ist«, sagt Judith Hesse, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Medienrecht der TU Dresden.

Mit der nun neu gestalteten Wort-Bildmarke vom November 2010 (siehe weiter unten) ist die Ferne zur eingetragenen Marke noch deutlich größer geworden. Die andere Schrift, der grafisch anders gestaltete Trompetentrichter (dem ja als Bindeelement zwischen Wort und Bild eine zentrale Bedeutung zukommt) und vor allem das völlige Fehlen der Bogenlinie lassen eine deutliche Abkehr von der eigenen eingetragenen Marke erkennen.

Die Frage, ob die beiden Ereignisse – das Jubiläum und die Umbenennung – überhaupt zwingend zu Veränderungen der Wort-Bildmarke führen müssen, drängt sich auf.

Andernorts hütet man seine Logos, Hausfarben und -schriften wie einen Schatz. Nur bei wirklichen Zäsuren im Sinne von Fusionen oder Übernahmen – etwa im Falle der Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank, was zu einer raffinierten und gelungenen Veränderung beim Außenauftritt führte – werden deutlich sichtbare Corporate Design-Änderungen nötig.
In weiteren Fällen führen Veränderungen in der Produktpalette, Erweiterungen der Konzernstruktur sowie modifizierte Unternehmensziele zu Veränderungen beim Logo, etwa im Falle von Philips zum Ersetzen der klassisch anmutenden Bild- durch die neue Wortmarke.

Doch will die »Tonne« ihr künstlerische Veranstaltungsprofil so deutlich ändern, dass es zu Corporate-Design-Änderungen kommen müsste? – Nein, im Gegenteil.
»Die Tonne wird die Tonne bleiben, indem sie immer wieder neue Wege geht«, ist mit Bezug auf die Einführung des neuen Logos im November-Programmfaltblatt zu lesen. Eine Formulierung, die gerade die Kontinuität des Innovativen bei der Konzertgestaltung – und nicht eine etwaige Zäsur – betont.




Das neue Logo von Tauundtag.








Was also störte die »Tonne«-Verantwortlichen am eingeführten, bisherigen Haufe’schen Logo?

Symbolwirkung und Ästhetik können es nicht sein, denn das nunmehrige Logo vermittelt hinsichtlich beider Aspekte einen unvollständigen und handwerklich unprofessionellen Eindruck.

Der einst handgezeichnete Trompetentrichter, homogener Teil des Instruments und durch den lockeren Pinselstrich auf den frischen Charakter der Musik verweisend, wurde ersetzt durch ein starres, zur Seite gelegtes und gequetschtes »O«, dessen Strichstärke unentschlossen unterschiedlich dick ist. Die symbolträchtige Lockerheit ist hin, und die durch das Haufe’sche Trompetentrichter-»O« bewerkstelligte Verbindung zwischen Bild und Wort sowie zwischen Jazz (Trompete) und „Tonne“ ebenfalls.
Das nunmehrige Fehlen des Bogens lässt das gesamte Logo grafisch auseinanderfallen, dem dadurch auch der symbolische Bezug zum einstigen Tonnen-Gewölbe fehlt.

Wer das Logo in seinen wichtigsten Nutzungsumgebungen sieht (Website, Programmflyer, Briefköpfe), stellt fest, dass der Textteil „Jazzclub“, in kleiner Schrift rot unter das Quetsch-»O« geblockt, »wegfliegt«; auf schwarzem Hintergrund ist er nur schwer zu erkennen.

Inwieweit es moralisch und urheberrechtlich vertretbar ist, grafische Einzelelemente aus einem Komplettwerk eines anderen Künstlers herauszulösen und in eigene grafische Kontexte ohne vorherige ausdrückliche Genehmigung hineinzusetzen, bleibt noch zu diskutieren.

Mathias Bäumel