Freitag, 11. Dezember 2015

Buch »Wiederentdeckt. Verborgene Schätze der Ostrockgeschichte« ist erschienen

Vor vielen Jahren schon, als ich noch ein junger Mann war, hatten mich – neben dem angloamerikanischen Hauptstrom – einzelne Rockbands und deren Platten aus den realsozialistischen Ländern fasziniert. Mein erstes, mich sehr beeindruckendes Rock-Live-Konzerterlebnis hatte ich im Sommer 1969 in der Freilichtbühne von Balatonlelle; es spielte Omega vor einem Riesenpublikum.

Als ich nun vor etwa anderthalb Jahren mit einem Freund im tschechischen Kuttenberg (Kutná Hora) spät abends in einem noch geöffneten CD-Laden eine CD der früheren Band »The Matadors« aufspürte, rückte der sogenannte Ostrock schlagartig wieder in mein Bewusstsein und ich beschloss, zu diesem Thema ein kleines Büchlein zu machen.

Dieses Büchlein – »Wiederentdeckt. Verborgene Schätze der Ostrockgeschichte« – wurde nun eben ausgeliefert und ist ab dem 12. Dezember 2015 (12 Uhr) im CD- und Plattenladen Sweetwater Record Store (Friedrich-Wieck-Straße 4 – Nähe Körnerplatz in Dresden) verfügbar.

Im Mittelpunkt dieser Veröffentlichung stehen Schallplatten von Bands und Solisten aus Polen, der damaligen Tschechoslowakei, Ungarn und aus dem früheren Jugoslawien. Gruppen aus der DDR bleiben ausgeklammert, da es über sie im Zuge des deutsch-deutschen Zusammenwachsens schon viele Veröffentlichungen gibt.

Mathias Bäumel: »Wiederentdeckt. Verborgene Schätze der Ostrockgeschichte«, Verlag der Kunstagentur Dresden, 2015.
ISBN-Nummer 978-3-9817866-0-6


M. B.

Dienstag, 13. Oktober 2015

Spielstättenprogrammpreis 2015 zum dritten Mal in Folge für Dresdner Jazzclub Tonne

Seit 2013 wird der Spielstättenprogrammpreis Rock, Pop, Jazz von der Initiative Musik – der Fördereinrichtung für aktuelle Musik der Bundesregierung – verliehen. In diesem Jahr erhielt er den griffigen Namen APPLAUS (kurz für: Auszeichnung der Programmplanung unabhängiger Spielstätten)

Der Jazzclub Tonne e.V erhält den Preis bereits zum dritten Mal in Folge in der Kategorie eins (Spielstätten mit mehr als einer Veranstaltung pro Woche). Erneut wird damit das herausragende Live-Musik-Programm des Clubs gewürdigt. Der APPLAUS 2015 ist in der Kategorie eins mit 30.000 Euro dotiert. Er wurde am Montagabend in München von Kulturstaatsministerin Monika Grütters übergeben.

Das Preisgeld wird die Tonne auch in diesem Jahr für die weitere Programmgestaltung einsetzen. Gleichzeitig soll das Geld auch in die technische Ausstattung des Clubs fließen, der gerade in eine neue, größere Spielstätte umgezogen ist und am 17. Oktober die Räume im Gewölbekeller des historischen Kurländer Palais in Dresden Altstadt erstmals öffnet. Der Künstlerische Leiter der Tonne, Steffen Wilde, zum Preisgewinn: „Wir möchten ein großes Publikum für Jazz und seine angrenzenden Genres begeistern. Den Preis jetzt schon zum dritten Mal zu erhalten ist eine wunderbare Auszeichnung für unsere Arbeit."
In der Tonne in Dresden treten jährlich etwa 200 Bands bei mehr als 120 Konzerten auf. Der Jazzclub ist damit einer der wichtigen Spielorte für Musiker, die neue Spielformen entwickeln und die besondere Atmosphäre und Nähe zum Publikum, die der Club bietet, suchen.

Natürlich wird der Preis standesgemäß mit bester Musik und Freibier in der Tonne gefeiert – die Party steigt am 24. Oktober, bei den Konzerten mit Echo Jazz-Preisträger Studnitzky und seinem Quartett und der britischen Band Get The Blessing. Beide treten im Rahmen des "jazz 'n' beats"-Festivals auf, einer Kooperation der Tonne und der Agentur Dynamite Konzerte, die gestern Abend zu den Applaus-Gewinnern in der Kategorie drei zählte. Der gemeinsame Abend bietet von 19 Uhr bis weit nach Mitternacht insgesamt sechs Ensembles an zwei Orten (Tonne im Kurländer Palais und Lab 15, Meschwitzstraße 15 in Dresden). Zwischen den Locations sorgt ein Shuttle-Service für den schnellen Ortswechsel.

(Presseinformation der »Tonne« vom 13. Oktober 2015)

Montag, 27. Juli 2015

Eine Ahnung, wie Dresdner Dixieland tickt …

(Ur-Ramblers vor der Kneipe Elbfrieden, Aufnahme ungefähr 1955. Foto: Archiv Werner)

Klaus Wilk veröffentlichte ein Buch zu den Elb Meadow Ramblers zum 60. Geburtstag der Band

Nahezu jeder durstige Dresdner kennt den auf den Elbwiesen gelegenen »Fährgarten Johannstadt«. Kaum einer jedoch weiß, dass dieser Biergarten auf musikgeschichtlich »heiligem« Boden liegt. Nämlich in den Räumen der einstigen »Volksgaststätte Elbfrieden« (was für ein Name!), der Vorgängereinrichtung des Fährgartens, gründeten enthusiastische Musiker am 13. März 1955 die wohl älteste und international bekannteste Dixieland-Gruppe Dresdens. Im Bandnamen klingt noch heute der Gründungsort an – bei der Gruppe handelte es sich um die, die sich auf den Elbwiesen herumtreiben: die Elb Meadow Ramblers.

Viele weitere Details zu diesem Gründungsgeschehen hat nun Klaus Wilk in seinem Buch »Elb Meadow Ramblers«, Notschriften Verlag Radebeul 2015, veröffentlicht. Der Hardcover-Band des früheren ADN-Journalisten ist jedoch nicht nur den unmittelbaren Gründungsjahren gewidmet; er ist eine umfangreiche, mit vielen Dokumenten, zig Fotos, anschaulichen Plakaten, historischen Zeitungsausschnitten, authentischen Erinnerungen und biografischen Fakten angefüllte Stoffsammlung rund um die Elb Meadow Ramblers. Erschienen ist die faktenreiche Veröffentlichung aus Anlass des 60. Geburtstags des Ensembles 2015.

Dabei zeichnete Wilk den Weg der Band nach, der diverse personelle Umbesetzungen enthält und von vier Stilwechseln (wie der einstige Drummer Samba Werner hervorhob) gekennzeichnet ist. Drei eigenen CDs, viele Aufnahmen auf Samplern sowie Mitschnitte von Auftritten für Funk und Fernsehen dokumentieren sechzig Jahre unermüdliches Dixieland-Musizieren, in denen es zu sage und schreibe etwa 3000 Konzerten bzw. Auftritten kam.

Das Buch beschreibt in sympathischer Weise das Innenleben der Band, es ist ein Erinnerungsbuch für alle, die dabei waren, die sich als Mitglied der Ramblers-Familie fühlen und als Insider gelten können. Analysen von Musikstücken, Interpretationen und Improvisationen oder Vergleiche etwa mit Spielweisen anderer Dixielandbands sollte man nicht erwarten.

Immer wieder erwähnt wird die menschliche und personelle Verbundenheit der Ramblers mit dem Dixielandfestival und mit der Entstehung der damals jungen IG Jazz, deren Einzug in die Kellergewölbe unterm Kurländer Palais und des späteren Jazzclubs Tonne.

Alles in allem hat hier Klaus Wilk mit seinen Helfern eine umfangreiche Stoffsammlung geschaffen, die unverzichtbar für all jene ist, die aus der Innensicht wissen wollen, wie Dixieland-Dresden und diese Band »ticken«. Danke!

Mathias Bäumel

Klaus Wilk: »Elb Meadow Ramblers«, Notschriften Verlag, Radebeul 2015, 176 Seiten, ISBN 978-3-945481-19-6, Preis 14,90 Euro.

Mittwoch, 8. April 2015

Kleine Stadt, großartige Musik – 41. Freiberger Jazztagevom 22. bis 27. April 2015

Vom 22. bis zum 27. April 2015 finden die 41. Freiberger Jazztage statt. Dabei handelt es sich um Deutschlands einziges universitäres Festival des zeitgenössischen Jazz.

Schon der Start verheißt nur Gutes – gleich zum Beginn des Festivals ist mit den Balkan Khans aus Bulgarien eine Band zu erleben, deren Musik sowohl in die Beine geht als auch zu Kopfe steigt; die Jungs verbinden Balkanfolklore und moderne Musik aufs Trefflichste. Wie sich modernes Beatboxing mit Folklore-Instrumentarium verträgt, kann man beim Besuch des Balkan-Khans-Konzert am 22. April (20.30 Uhr) im Freiberger Klub Alte Mensa, Petersstr. 5, erleben.
Die Reihe »Klassik meets Jazz« wartet mit zwei Uraufführungen auf. Das Christian Wegscheider Trio aus Wien wird gemeinsam mit der Mittelsächsischen Philharmonie eine Komposition Wegscheiders aufführen. Außerdem wird die Suite für 2 x 4 Klarinetten / Saxofone und Orchester des Komponisten Hans-Peter Preu zu hören sein, die speziell für zwei Saxofonisten geschrieben wurde. Die Besonderheit ist, dass alle Bauarten von Saxofonen und Klarinetten zu Gehör kommen – von den höchsten bis zu den tiefen Tönen werden Hans-Christian Wicke und Anja Bachmann alle Instrumente einbeziehen!

Im Mittelsächsischen Theater Buttermarkt nimmt am Freitag, den 24. April, die Berliner Szene das Zepter in die Hand. Das Trio 105 (Uli Lenz, Kubi Kubach und Zam Johnson) vereint drei Vollblutmusiker, die in vitaler, expressiver Weise Blues, Soul und modernen Jazz verbinden. Und Andreas Willers' »7 of 8« ist ein Septett aus hochkarätigen Musikern, die für expressive solistische und kollektive Improvisationen stehen und denen es jenseits von Genre-Denken neben Wucht und Abstraktion um reine Musikalität geht. Der Spiritus rector der Formation ist seit Jahrzehnten einer der bedeutendsten Gitarristen Deutschlands – mit weltweiter Reputation. Die im Jahr 2000 erschienene CD dieses Ensembles, »The Ground Music«, wurde seinerzeit vom Fachblatt Jazzthetik als »eines der besten 20 Alben, die je auf dem Label Enja Records erschienen sind« bewertet. Fünfzehn Jahre später bringt das Ensemble von Andreas Willers eine aktualisierte Version der damaligen Musik zu Gehör.

Auch Jörg Schippa ist sowohl Meister seines Instruments, der Klarinette, und gleichermaßen exzeptioneller Bandleader mit visionären Ideen. Mit ihm und seinen Mitstreitern entsteht eine Musik, die man »unbedingT« gehört haben muss – am Sonnabend, 25. April, ebenfalls im Mittelsächsischen Theater –: humorvoll, raffiniert erdacht und rhythmusbetont. Noch am selben Abend hebt das große Trommeln an, denn das Ensemble (C.R.A.M.S. – benannt nach den Anfangsbuchstaben des Centro Ricerca Arte Musica e Spettacolo) Percussion Staff spielt auf! Das hat seine Wurzeln in Lecco am Comer See, dort hatte der Dresdner Perkussionist Baby Sommer Workshops gegeben. Seit 1984 tourt das Ensemble zunächst durch Norditalien, dann durch Deutschland und ganz Europa.

Ein Piano-Sonderkonzert (am 25. April, 17 Uhr, mit Alexander von Schlippenbach im Klub Alte Mensa), weitere Programmpunkte sowie das Abschlusskonzert in der Petrikirche mit Falk Zenkers Nu:n runden die 41. Freiberger Jazztage ab.

Freiberger Jazztage vom 22. – 27. April 2015
Programm und Kartenverkauf:
www.freiberger-jazztage.de

Signet: Holger Koch

Freitag, 20. Februar 2015

Der Saxstall in Pohrsdorf westlich von Dresden – ein Jazz-Zentrum der besonderen Art

Eckard Schleiermacher vor einem kleinen Teil seiner Sammlunng. Foto: Hans-Joachim Maquet

Der Mann ist sax-besessen! Im Jahre 1995 kaufte er sein erstes Saxofon, und seit 2000 begann er, Devotionalien zum Thema Saxofon zu sammeln: Von der Briefmarke, Postkarte, großformatigen Porträtbildern vieler berühmter Saxofonisten des Schnellmalers John Fröhlich (USA) auf Acryl, Fotoalben, Zeitungsartikel, Plakate, Tonträger, Grammofone, Schellackplatten, Accessoires, Filme, etwa 500 (!) verschiedene kleine Figuren, bis hin zu wertvollen Saxofonen ist seither eine riesengroße, skurril wirkende Sammlung entstanden! Doch der Sammler, Eckard Schleiermacher, beruflich als Apotheker tätig, frönt dem Saxofon nicht nur mittels seiner ausufernden Kollektion, sondern auch praktisch als Musiker. Eckard spielt Baritonsaxofon: manchmal in der Heidenauer Drugmiller’s Bigband (unter Leitung von Dietmar Pester, Kammervirtuos der Dresdner Philharmonie), später in der Bigband des Heinrich-Schütz-Konservatoriums Dresden bzw. in der Dresden Bigband, und er ist Mitbegründer der deutschen Apotheker Big Band. Spätestens an diesem Punkt kreuzten sich seine Wege mit denen des Jazzclubs Tonne. Die musizierenden Apotheker mischten den Dresdner Jazzclub zu dessen Konzertwochenende »Jazz hält gesund – Mediziner spielen Jazz« am 27. Juni 2003 auf. Mal ganz abgesehen davon, dass Eckard Schleiermacher mit seinem eigenen Saxofonspiel, vor allem jedoch mit Exponaten seiner Sammlung, ein stets gern gesehener Gast bei den »Dresdner Saxophon-Messen« war und ist, die der Instrumentenbau Walsch gemeinsam mit dem Jazzclub Tonne seit 1992 alle zwei Jahre veranstaltet.

Doch dem Eckard Schleiermacher – sein jüngerer Bruder Steffen ist ein international bekannter Komponist, sein Sohn Johannes ein renommierter junger Jazz-Saxofonist – war das noch längst nicht genug der »Saxofonie«. Es musste eine eigene Spielstätte und damit auch ein charmanter Ausstellungsort für die Schleiermacher’sche Sammlung her!

Der in einem Vierseithof in Pohrsdorf am Nordrand des Tharandter Waldes wohnende Sax-Fanatiker begann, dafür seinen alten Schweinestall umzubauen; dessen letzter Bewohner wurde 2006 geschlachtet, dann hatte die »Ferkelei« ein Ende. Im Jahre 2008 wurde aus dem Grunzen ein »Tröten«, denn damals starteten die ersten Musikauftritte noch im privaten Kreis, seit 2011 laufen die Veranstaltungen als öffentliche Konzerte. Mittlerweile ist das sage und schreibe 350. Konzert (!) Geschichte, insgesamt traten bisher etwa 700 Musiker aus etwa dreißig Ländern im Saxstall, wie das Etablissement seither heißt, auf.

Unter diesen Musikern sind solche aus der Region Dresden wie auch Größen auf internationaler Ebene, Berliner Avantgardisten wie auch Gäste aus dem Ausland. »Wir bieten eine Bühne für viele Projekte«, sagt Schleiermacher. Dies sei wichtig für die Musiker aus der sächsischen Hauptstadt, die wegen der kurzen Anfahrtswege häufiger, aber auch gern hier auftreten. »Doch auch Musiker aus der Ferne können hier mit Genuss spielen.«

Die Konzerte kosten keinen Eintritt, jedoch die Gäste spenden wohlwollend und je nach persönlichem Vermögen jeder sein Sümmchen, um diese einmalige Konzertbühne am Leben zu erhalten. Was dann noch fehlt, zahlt Eckard Schleiermacher privat drauf.
»Es gibt Leute, die noch komischere Hobbys haben als ich«, schmunzelt der »saxophile« Apotheker. Das Ganze funktioniert also wie eine Art »überdachte Straßenmusik«, und tatsächlich kommt es bei gutem Wetter auch immer wieder zu Straßenmusik im Hof vor dem Saxstall; unter der ausladenden Krone eines riesigen Walnussbaumes traten schon Größen wie Gunter Hampel auf.

Stilistisch ist in Pohrsdorf fast alles möglich, die Freude am Musizieren steht im Vordergrund: Freejazz, Hardbop, Kammermusik, Swing, Ethno, freie Improvisationsmusik, Experimentelles aus den Gebieten zwischen Musik, Lyrik und Theater. Der Nestor des Dresdner Modern Jazz, Peter Setzmann, konzertiert hier ebenso wie blutjunge, noch im Studium befindliche Musikanten, US-Größen wie die Tiptons oder Gunter Hampel ebenso wie Gebhard Ullmanns Klarinettentrio, der Saxophon-Actor Dietmar Diesner oder der böhmische Über-Pianist Emil Viklicky mit Scott Robinson.

Konzert im Saxstall mit Uli Gumpert und Silke Eberhardt. Foto: Hans-Joachim Maquet

Die Atmosphäre ist urgemütlich, Sofas, Sessel und Stuben-Stühle für die Besucher, dazwischen ältere Tische aus früheren guten Stuben oder zur Ablage umgebaute Nähmaschinen, ein Tresen fürs flüssige Gold, im Stubenumlauf über den Fensterbögen Ablage-Boards für einige der Sammlerstücke.
»Der Saxstall ist einer der schönsten Auftrittsorte im Großraum Dresden«, hebt der Posaunist Günter Heinz hervor. »Ich spiele sehr gern dort, weil einfach alles stimmt: ein freundlicher, nahezu familiärer Empfang, gute Musik in schöner Atmosphäre mit hervorragender Sammlung von Instrumenten und immer wieder ein aufgeschlossenes Publikum.« Viele weitere Musiker heben den Charme dieser Spielstätte hervor. »Die Atmosphäre hier ist ganz besonders, ich spiele deswegen sehr gern hier«, sagt der Dresdner Schlagzeuger Matthias Peuker. »Der Eckard Schleiermacher, ein Musikverrückter, ist ein sehr spezieller, sympathischer Typ. Schon wenn man Stunden vor dem Konzert von diesem familiären Klima mit Kaffee und Kuchen umsorgt wird, fühlt man sich einfach wohl. Und das Publikum ist immer interessiert, begeistert und begeisternd!« Dabei sei es sowieso ein Wunder, wie viele Leute in diesem dörflichen Umkreis den Weg in den Pohrsdorfer Saxstall finden!

Der Saxstall hat längst sein Stammpublikum und ein Einzugsgebiet, das von Freiberg bis Dresden, von Altenberg bis Döbeln reicht. »Unter meinem Pohrsdorfer Publikum habe ich neben Musikkennern, die auch anderweitig viele Konzerte besuchen, so beispielsweise ehemalige Musiklehrerinnen oder hier wohnende Professoren im Ruhestand, auch nicht wenige, die sonst kaum auf den Gedanken kämen, ein Jazzkonzert zu besuchen, eben Nachbarn und Freunde«, sagt Eckard Schleiermacher. Die kämen, weil im Dorf etwas los ist. Da freue es ihn besonders, wenn neben seiner eigenen Schwiegermutter weitere Bauersfrauen im Alter von Mitte siebzig bis achtzig auf dem Sofa sitzen und eine hinterher meint: »Ich verstehe ja eigentlich nichts davon, aber es war wieder richtig schön. Nee, wie die spielen können, diese jungen Leute, schön, dass du das hier machst, Ecki.«

Und dass nicht nur aus allen Himmelsrichtungen anreisende Jazzfans, sondern auch die Einwohner der Gegend rund um Pohrsdorf begeistert sind, erkennt man auch daran, dass die Leute dort mit »saxmax« ein eigenes Saxofonensemble auf die Beine gestellt haben, das – natürlich – von Eckard Schleiermacher geleitet wird und das schon zu vielen Gelegenheiten, auch in Dresden, aufgetreten ist.

Mathias Bäumel

(Ein herzliches Dankeschön an Hans-Joachim Maquet für seine Hilfe!)

Das nächste Konzert im Saxstall:
Sonnabend, 21. Februar 2015 (17 Uhr):
Friedhelm Schönfeld Quartett (Berlin)
Friedhelm Schönfeld, Saxofon; Rolf von Nordensköld, Saxofon; Gerhard »Kubi« Kubach, Bass; Ernst Bier; Schlagzeug.

01737 Pohrsdorf bei Tharandt bei Dresden
Dorfstraße 87

http://www.saxstall.de








Mittwoch, 4. Februar 2015

»Hungarian Jazz Rhapsody«: Mihály Borbély bietet Hingabe und Substanz

Wie sagte einst meine ungarisch-jüdische Nenn-Oma aus Budapest auf meine Frage, wieso es bei ihr immer so gut schmecke? »Nun, man darf nicht nur mit Liebe kochen – man muss auch ein paar Zutaten hineingeben!« Diese ernst gemeinte, aber schalkhaft vorgetragene Weisheit hat mein Leben bisher mitgeprägt. Die Nenn-Oma liegt längst auf jenem jüdischen Friedhof in Budapest, auf dem auch der Komponist des Liedes vom traurigen Sonntag, Rezsö Seress, liegt, und ich selbst bin seither immer wieder auf der Suche nach der Verbindung beider Aspekte: Hingebung und Substanz – auch im Rahmen meines Interesses für Jazz.

Nun wurde ich diesbezüglich wieder einmal fündig. Und – wieder einmal – in der Musik des ungarischen Saxofonisten und Tárogató-Spielers Mihály Borbély. Der hat, nach seinen großen Würfen, den Veröffentlichungen »Hommage à Kodály« und »Meselia Hill«, nun ein Album herausgebracht, das sich unter dem beziehungsreichen und von Attila Zoller stammenden Namen »Hungarian Jazz Rhapsody« einigen Kompositionen der ungarischen Populärmusik zuwendet, älteren und nicht so alten.

»Várj, Míg Felkel Majd A Nap« (Wait till the sun comes up) ist eine Rockhymne aus der Feder der beiden Musiker Ferenc Demjén und István Lerch von der Band V’Moto-Rock. Der Song erschien 1994 und wurde im Laufe der Jahre immer wieder von verschiedenen Gruppen und Solisten neu eingespielt, auch auf englisch. Weitere auf der CD enthaltene Rockstücke, möglicherweise mit für die ungarische Musikszene noch weit größerer Bedeutung, sind »Ezüst Nyár« (Silver summer) und »Ringasd el magad« (Rock yourself) der Band Locomotiv GT von den ersten beiden LPs dieser Band aus den Jahren 1971 und 1972.

Borbély greift für sein Projekt auch filmbezogene Musik auf. Es gibt eine jazzige, aber sehr kongeniale Interpretation des Kulthits »Szomorú Vasárnap« (Gloomy Sunday) von Rezsö Seress (der Große Israelitische Friedhof an der Budapester Kozma-Straße lässt wieder grüßen!), die in den Song »Látod, ez a szerelem« (See, this is love) von Tamás Deák übergeht. Interessant: Der 1928 geborene Trompeter, Komponist und Bandleader Deák schuf diesen Ohrwurm, ein typischer, Charleston-haltiger und an-geswingter Bar-Bretterknaller, noch bevor er für Zeichentrickfilme wie die hierzulande bekannten »Nu, pogodi!«, »Gustav« und »Adolars fantastische Abenteuer« komponierte.

Und schließlich interpretiert hier die Borbély-Band auch moderne Jazzkompositionen wie Attila Zollers titelgebende »Hungarian Jazz Rhapsody«, Kálmán Olahs »Polymodal Blues« und – ein Vertreter des freieren ungarischen Jazz – Karoly Binders »In illo tempore« von der 1985-er Solo-Platte des Pianisten.

Manchmal, so begründet Borbély seine Musikauswahl für diese CD, erweise sich erst nach Jahrzehnten, dass gewisse Momente viel wichtiger sind als man zum Zeitpunkt ihres Auftauchens zunächst dachte und fühlte. Damit erinnert mich Borbély zwar auch an die Koch-(Lebens-)Weisheit der Nenn-Oma, vor allem aber daran, wie reichhaltig auch die Populärmusik des kleinen Ungarns war und ist. Mit jazz-improvisatorischer Hingebung machen Borbély und seine Musiker auf der CD die Substanz dieser Songs hörbar, die alle, zumindest aus der Innensicht, zutiefst zu Ungarn gehören. Ohne die Souveränität als Komponist und Arrangeur, vor allem aber ohne die improvisatorischen Fähigkeiten des Bläsers Borbely, dessen Ästhetik rasende Glissandi ebenso einbezieht wie gewagte, folkloristisch wirkende Melismen, wäre dieses Unternehmen »Neu-Entdeckung« nicht denkbar. – Eine CD für Geschichtsbewusste, die »olle Kamellen« nicht mehr hören können, und für Moment-Junkies, die einen musikalischen Reichtum unbelasted von irgendwelchen »Vorgaben« genießen wollen.

Mathias Bäumel

Mihály Borbély Quartet: »Hungarian Jazz Rhapsody«, BMC Records CD 187 / nrw vertrieb