Freitag, 5. März 2010

Gianni Gebbia und Eiko Ishibashi begeisterten als Joraku & Lioneiko in der „Tonne“ Dresden

(27. Februar 2010: Gianni Gebbia - Altsax - und Eiko Ishibasi - hier an den Drums, sonst noch Piano, Flöte und Electronics - im Jazzclub Neue Tonne Dresden. Foto: Wolfgang Zimmermann)

Garantiert: Wäre ein Maestro Giacomo Puccini in seiner idyllischen Villa bei Viareggio am Mittelmeer noch aktiv zugange, dann hätte er Eiko Ishibashi und Gianni Gebbia längst in sein Orchester integriert. War doch Puccini u.a. auch dafür bekannt, dass er stets begierig auf neue, ungewöhnliche und bis dato noch nie gehörte Musik war. Und das japanisch-italienische Duo – das sich klangvoll „Joraku & Lioneiko“ nennt - hätte ihm genau solche neue, ungewöhnliche und bis dato noch nie gehörte Musik liefern können. Schade drum; das Ergebnis einer solchen Zusammenarbeit zu hören, wäre gewiss ein Genuss für Körper, Ohr und Seele gewesen.

Spekulationen dieser Art sind natürlich müßig; der Eindruck aber, den das Konzert der Japanerin Eiko Ishibashi mit dem Sizilianer Gianni Gebbi am 27. Februar 2010 im gut gefüllten Jazzclub Neue Tonne hinterlassen hat, war alles andere als das. Mit der zierlichen japanischen Multiinstrumentalistin Eiko Ishibashi wehten urplötzlich ganz ungewöhnliche Klänge durch das Sandsteingewölbe. Ein fragiles, sehr zartes und zurückhaltendes Klavierspiel drang bis in jeden Winkel des Gewölbes. Und eine Melodie, so fremd und geheimnisvoll, wie sich der ferne Osten den meisten Europäern heute immer noch darstellt, schwebte im gemächlichen Tempo über die Köpfe der Konzertbesucher hinweg. Eiko Ishibashi selbst ist solch ein zerbrechlich scheinendes Wesen; mit einem tief in die Stirn gezogenen und von einer Blüte gezierten Filzhut sitzt sie am Flügel und entlockt ihm diese beinahe unwirklichen Töne. Die büßen auch nichts von ihrer geheimnisvollen Aura ein, als Gianni Gebbias Saxofon sich darunter mischt.

Ganz im Gegenteil; Gebbia nimmt das Angebot von Eiko Ishibashi bereitwillig an und reduziert die gewohnte Lautstärke des Saxofons um ein Vielfaches. Und am Ende ist aus dem gemeinsamen Spiel ein durch und durch romantisches Date geworden; eine Begegnung von Stimme, Piano und Saxofon. Zu schön scheint diese Musik, um sie überhaupt in das Fach Jazz einsortieren zu wollen oder zu müssen. Und doch passiert genau das, was den Jazz eigentlich kennzeichnet. Die beschworene Harmonie findet urplötzlich ihr Ende und die Musik gleicht nun einer entfesselten Orgie. Wild und ungestüm brüllt das Saxofon und lautstark widerspricht das Klavier. Und weil der so sanft wirkenden Eiko Ishibashi dieser Widerspruch wohl immer noch zu gemäßigt erscheint, verlässt sie urplötzlich den Klavierhocker, setzt sich ans Schlagzeug und drischt dort all ihre Emotionen kraftvoll in Richtung des Partners. Doch es ist lediglich ein Streit auf der Ebene der Musik und der kann letztendlich nicht hemmend, sondern nur fördernd wirken.

Zwei CD’s haben die beiden gemeinsam mittlerweile bereits aufgenommen (eine davon, mit Daniele Camarda, ist seit einiger Zeit schon veröffentlicht, die zweite soll ein ein paar Wochen folgen) und quer durch das Material dieser beiden Scheiben arbeitet sich das Programm des Abends. Dazu gehören noch optisch-akustische Spielereien. Etwa dann , wenn Gianni Gebbia einen Gummihandschuh über den Trichter seines Grammophons spannt und die fünf Finger durch die Intensität seines Spiels aufstehen und wieder zusammenfallen lässt. Das ist so etwas wie eine Standardnummer des Sizilianers. Und sie gehörte schon in sein Repertoire, als er vor etwa eineinhalb Jahren in anderer Besetzung in Dresden spielte.

Gebbia hat ehe eine gute und solide Beziehung zur sächsischen Landeshauptstadt; die u.a. auch auf der langjährigen Zusammenarbeit mit dem Jazztrommler Günter „Baby“ Sommer basiert. Das war, als das Musizieren in sizilianischen Orchestern für ihn längst schon Vergangenheit war und er verstärkt die Zusammenarbeit mit den Jazzern Europas und auch aus Übersee suchte. Als Peter Kowald noch lebte, verband die beiden eine sehr intensive Freundschaft. Auch die Tanztheaterszene interessierte Gianni Gebbia brennend; so arbeitete er u.a. auch zu deren Lebzeiten mit der Choreographin Pina Bausch zusammen.

Die Zusammenarbeit mit Eiko Ishibashi ist eine nächste und wieder etwas andere Station des experimentierfreudigen Sizilianers (der übrigens zwei Tage nach dem Konzert – am 1. März nämlich – seinen 39. Geburtstag feiert), die seiner nicht nachlassenden Neugier entspringt. Und sein eigentliches Konzept bleibt auch dann noch bestehen, wenn beide einer von der Rockband Uriah Heep gespielten und später vom norwegischen Saxofonisten Jan Garbarek bearbeiteten Nummer eine ganz andere und ganz neue Variante hinzufügen. Oder wenn plötzlich eine fröhliche und typisch italienische Volksmusik erklingt. Letztendlich liefern sich Eiko Ishibashi und Gianni Gebbia einen überaus spannenden und kreativen Dialog; sie setzt dabei ihre Querflöte und er sein Saxofon ein. Wie dieser Dialog endet? Natürlich unentschieden!

Wolfgang Zimmermann