Donnerstag, 11. März 2010

Das Theremin in der Pop- und Jazzgeschichte - ein Exot fungiert als „Klanggewürz“

(Die Theremin-Künstlerin Barbara Buchholz. Foto: PR)

Das Theremin in der Pop- und Jazzmusik? Die ersten, die diese selten verwendete Urform aller elektronischen Musikinstrumente im Pop-Bereich genutzt haben, könnten gegensätzlicher nicht sein: Dada-Naiv-Desertblues-Avantgardist Captain Beefheart und die Pop-and-Surf-Könige Beach Boys.

Im April 1967 nahm Beefheart mit seiner damaligen Magic Band das Material für seine erste offizielle LP „Safe as Milk“ auf – als Gast war für die Einspielung des berühmten Stückes „Electricity“ und von „Autumn’s Child“ der renommierte Theremin-Spieler Samuel Hoffman eingeladen. Diese beiden Aufnahmen gehörten zu den letzten, die Hoffman machte – seit Anfang der vierziger Jahre hatte der ausgebildete Fußorthopäde und professionelle Violinist in seinen Bar- und Unterhaltungsbands das Theremin popularisiert, war auch immer wieder zur Schaffung von Musik und von Background-Sounds für Horror- und Sci-Fi-Filme eingeladen worden, von Hitchcocks „Spellbound“ (1945; deutscher Titel „Ich kämpfe um dich“) bis zu William Beaudines „Billy the Kid versus Dracula“ (1966). Vor allem die jaulenden, sphärischen Kontrastklänge Hoffmans zu den Einleitungsriffs von „Electricity“ machten diesen Titel – natürlich neben dem unverkennbaren, rauen Gesang Beefhearts – zu einem frühen Markenzeichen des Musikers.

Nur wenig früher, im Februar 1966, hatten die Beach Boys die Instrumental-Tracks für den Song „I Just Wasn't Made for These Times“ (der Gesang wurde im April aufgezeichnet) aufgenommen; der Song erschien dann im Mai 1966 auf der LP „Pet Sounds“, dem elften Studio-Album der Hohepriester des Surf-Pop. An dieser Aufnahme war im Studio auch der Swing-Posaunist Paul Tanner beteiligt, der das von ihm aus dem Theremin weiterentwickelte Electro-Theremin (mit Drehknopf für die Lautstärke) spielte. Im Gesamtklang des Songs spielte dieses exotische Instrument allerdings kaum eine Rolle, anders als bei der wenige Monate später erschienen Beach-Boys-Single „Good Vibrations“. Dort war Tanners Electro-Theremin deutlich zu hören und konterkarierte schauerlich-frisch die forsche melodisch-rhythmische Eingangssequenz des Hits.

So lange diese ersten, seltenen Auftritte des Theremins im Pop- und Rockbereich auch her sein mögen – im Jazz lassen sich Spuren dieses Instrumentes so gut wie gar nicht und auch nicht so frühzeitig finden. Das liegt sicher auch daran, dass die Nachteile des Theremins im Jazz besonders schwer wiegen, dass es so schwerfällig und nur glissando-artig spielbar ist. Ohnehin ließen sich ähnliche Sounds mit den ab Ende der sechziger Jahre verfügbaren Synthesizern viel einfacher erzeugen.

Insofern verwundert es nicht, dass das Theremin – als Exot und „Klanggewürz“ – eher noch im zeitgenössischen Jazz und im Grenzgebiet zwischen Jazz und zeitgenössischer Konzertmusik genutzt wird, nicht im Swing und Bop.

Hier hat sich vor allem der italienische Multiinstrumentalist Vincenzo Vasi hervorgetan. Seine Theremin-Beiträge in Gianni Gebbias Switters sind unüberhörbar, geben dem Trio einen kräftigen, unverkennbaren Sound, brillieren mit Solo-Leistungen, erreichen eine geradezu rocktypische Intensität – erklärbar, fühlt sich Vasi doch auch von Captain Beefheart inspiriert. Etwas wirklich Besonderes ist Vasis Band Etherguys, ein Trio, in dem ausschließlich drei Thereministen spielen, neben Vasi noch die in Italien lebende Schweizerin Sabina Meyer und der ebenfalls mittlerweile auf dem „Stiefel“ ansässige japanische Techno- und Elektro-Avantgardist Gak Sato.

Mit Barbara Buchholz kommt nun eine der profundesten Theremin-Spielerinnen überhaupt nach Dresden. Gemeinsam mit Lydia Kavina, der Großnichte des Instrumentenerfinders Lev Sergejewitsch Termen (1896–1993), der sich im Westen später Leon Theremin nannte, gründete Barbara Buchholz 2005 die Plattform „Touch! Don't Touch!“ für das Theremin in der Neuen Musik. Als Meisterschülerin von Lydia Kavina studierte sie in Moskau und ist heute eine der führenden Virtuosinnen an diesem außergewöhnlichen und seltenen Instrument. Im Bereich des Jazz und der Improvisierten Musik tritt sie mit diversen Ensembles auf, unter anderem im Trio mit dem norwegischen Trompeter Arve Henriksen und dem Live-Elektroniker Jan Bang. Sie tourt mit der Jazz Bigband Graz im Rahmen der Produktion „Electric Poetry & Lo-Fi Cookies“, die auch auf CD eingespielt wurde. Bei Auftritten mit ihrem Soloprogramm „Theremin: Russia with Love“ lässt sich Barbara Buchholz vom Projektionskünstler Pedda Borowski unterstützen.

Buchholz spielt am 26. März 2010 mit Pedda Borowski zum Jazzwelten-Festival Dresden 2010.

Mathias Bäumel