(Francesco Cusa. Foto: Promo/Nanni Angeli)
„Pape Satàn, pape Satàn, aleppe!“ Mit diesen Worten beginnt Plutos den siebenten Gesang im „Inferno“ von Dante Alighieri. Plutos, eine wolfsartige Kreatur, bewacht den vierten Ring der Alighieri’schen Hölle, in dem Geizige und Verschwender heulend Steinlasten wälzen.
„Pape Satàn, pape Satàn, aleppe“ – ebenfalls mit dieser Zeile überschreibt der sizilianische Jazzdrummer und Komponist Francesco Cusa den Begleittext zur CD „Du Démon et d’autres questions“ (1999) seiner Band „66six“. Und der Musiker schreibt weiter über den Kontext dieser Musik: „Vater Satan, Vater Satan. Der Teufel zuerst. Der Teufel, der in unsere dumpfen Existenzen sickert. Schlange stehen, Schlaflosigkeit, drückende Schuhe, Kopfschmerzen, besetzte Toiletten. Aber auch Geschichten über Piraten, verkaufte Seelen, heilige Jungfrauen, grauenhafte Inzeste und dezimierte Familien. In einem Wort: der Alltag. ... All das in Musik übersetzt, durchgeschüttelt, zusammengestellt und als kleinen Hexensabbat serviert. ... Erzählt mir bloß nicht, dass Edgar Allan Poe, Grenouille oder Stanley Kubrick keinen Pakt mit dem Teufel geschlossen hätten. Erzählt mir nicht, Nicole Kidman wäre nicht eine Erscheinungsform des gehörnten Ziegenbocks selbst!“
Die Titel dieser CD sind entweder nach Dämonen aus der christlichen Dämonologie oder nach Personen benannt, in denen sich, folgt man Cusa, Verlockungen und Gefährdungen verkörpern. „Abigor“ heißt die Serenade für Nicole Kidman, „Buzzati’s Capture“ verweist auf die „Inbesitznahme“ des Denkens des einst in Italien bekannten Journalisten, Malers, Zeichners und Bühnenbildners Dino Buzzati durch die katholische Kirche, andere Kompositionen sind Stanley Kubrick, dem Parfüm des Grenouille und Edgar Allan Poe gewidmet. Noch weitere Dämonen werden mit Titeln thematisiert, so Halphas, ein Dämon in Taubengestalt, der Städte anzündet und die Menschen in den Krieg schickt.
„Ach was, lass uns nicht über Dämonen, sondern über die Musik reden“, lacht Francesco Cusa abwehrend und schalkhaft, für den diese Dinge nur ein witziges Spiel sind. Und wenn er sich mit seiner Geisteshaltung als vom provokativ-sarkastischen Humor Frank Zappas beeinflusst erweist, der Nonsens und Sinnhaftigkeit in sich vereint, so spürt man besonders auch im Musikalischen Zappas Flair: Komplexe Rockrhythmen, skurril wirkende Motive und Themen, gebaut aus gewagten Intervallsprüngen und schrägen Tonart-Wechseln, knirschend und rau klingende, dennoch flüssig gespielte Gitarrenlinien und Einspielungen von geheimnisvoll klingenden Telefonstimmen sowie von Technikgeräuschen.
Natürlich sind dies nur Anklänge – Cusas Musik ist eigenwertig, klingt, im Gegensatz zu der Zappas, völlig europäisch. Brillante Bläserimprovisationen spielen nicht nur eine illustrative, sondern eine zentrale Rolle. Vor allem aber die Rhythmik ist bei Cusa, dem Liebling aller Jazztrommel-Freunde, südeuropäisch-faszinierend. Cusas Verschmitztheit, vor allem aber dessen Fähigkeit, das süditalienisch-sizilianische Erz-Musikantentum der großen katholischen Prozessions-„Bandas“ mit modernem Freejazz-Drumming zu verbinden, halten jedermann in Atem. Alles wird bei diesem Irrwisch zu Rhythmus – von Marmeladengläsern bis zu Kellerclubwänden, von Zahnputzbechern bis zu Atemgeräuschen.
Im Laufe der Jahre entwickelte sich in Cusas Musik eine Kontinuität von Titeln, die in verschiedenen Versionen immer wieder auftauchen. So spielte er bereits 1997 mit seiner Band 66six die Kompositionen „Where’s Stanley Kubrick?“, „Buzzati’s Capture“, aber auch „Psycho Jogging“, „Dr. Akagi“ und „Nonsense“. Alle gehörten sie später zu den Konzertprogrammen der unterschiedlich besetzten „Skrunch“-Bands und waren auf den jeweiligen CDs enthalten.
Auch die 2005-er CD „Psicopatologia del serial Killer“ präsentiert diese Titel in ruppigen, wilden Interpretationen – und endet mit dem Klangstück „Beyond Gods and Devils ... the day before...“(Jenseits von Göttern und Teufeln ... der Tag davor ...), das – die Geduld des Hörers mit lang andauernder Stille überstrapazierend – ein Grauen anzukündigen scheint.
Stattdessen jedoch folgen mit den CDs „A sicilian way of cooking mind“ (2006, Cusas Projekt „Naked Musicians“) und „L'arte della guerra“ (2007, Cusa mit Skrunch) zwei unter eigenem Namen veröffentlichte Werke, die vom Provokant-Symbolischen weg deutlich mehr in eine raffinierte, jazzige Richtung gehen, und die – im Falle der „Nackten Musiker“ – improvisierte Klangflächen ebenso anbieten wie fragmentierte und abstrahierte Prozessions-Banda-Bläsersätze, teils verbunden mit wahnwitzigen Latino-Drum-Passagen; der Titel „A Night in a Caravan“ (eine Kombination aus „A Night in Tunesia“ und „Caravan“) hat einen umwerfenden Charme.
Als nun der Jazzclub Neue Tonne im Laufe des Spätsommers 2009 nach einem Musiker suchte, der für das Jazzwelten-Festival „fragilitas“ 2010 eine spezielle Musik zum Thema „Amoklauf“ konzipieren könnte, war schnell klar: Zuerst soll Francesco Cusa gefragt werden.
Dieses Konzert findet nun statt – am 27. März als Abschluss des 2010-er Jazzwelten-Festivals.
Um all seine Ideen auch veröffentlichen zu können, betreibt Francesco Cusa das CD-Label „Improvvisatore Involontario“. Doch darauf sind nicht nur seine eigenen, sondern auch Werke aus dem Kreis befreundeter Musiker (Cusa manchmal als Sideman) erschienen.
Mathias Bäumel
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Dienstag, 16. März 2010
Freitag, 5. Februar 2010
Von der Zerbrechlichkeit des Seins oder dem Wandeln auf schmalem Grat
Das 6. Festival JAZZWELTEN findet vom 19. bis zum 27. März 2010 zum Thema „Fragilitas“ in Dresden statt
(Gary Lucas improvisiert zu den JAZZWELTEN 2010 - wie hier im Bild in Malaga 2009 - zu Avantgarde-Filmen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Foto: PR)
Das Programm des 6. JAZZWELTEN-Festivals des Jazzclubs Neue Tonne steht. Das Festival, das diesmal unter dem Motto „Fragilitas“ vom 19. bis zum 27. März 2010 im Clubkeller des Jazzclubs Neue Tonne, im Clara-Schumann-Saal des Kulturrathauses und im Filmtheater Schauburg stattfindet, bietet trotz wiederum sehr beschränkter Finanzen innovative Musikprojekte – diesmal nicht selten aus den Grenzgebieten zwischen melodischen, zarten Improvisationen und elektronischer Musik – sowohl mit gestandenen Größen des internationalen zeitgenössischen Jazz als auch mit jungen, experimentierfreudigen Nachwuchsmusikanten.
Premieren (so hat der Sizilianer Francesco Cusa die Musik für den Auftritt mit seiner Band Skrunch extra im Auftrag der „Tonne“ zum Thema „Amoklauf“ komponiert) und Improvisationen zu Filmen – diesmal mit Gary Lucas zu Avantgarde-Filmen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – gehören ebenfalls wieder zum Programm. Auch das instrumentengeschichtlich erste elektronische Musikinstrument überhaupt, das Theremin, bekommt mit der audio-visuellen Show von Barbara Buchholz und pedda Borowski einen Hauptauftritt.
Die Macher des Programms, Dr. Helmut Gebauer und Steffen Wilde, wollen Musik vorstellen, die von der Zerbrechlichkeit des Seins oder dem Wandeln auf schmalem Grat „erzählt“. Ein existenzielles Thema unserer, aber bei weitem nicht nur unserer Zeit. Gebauer: „In diesem Thema schwingt auch nicht nur Schwermut mit, sondern ebenso Leichtigkeit, Verspieltheit, Glück, immer aber auf schmalem Grat. Das Gefühl, in einer fragilen Welt zu leben, der äußeren wie der inneren, hat viele Facetten. Es kann uns begegnen als Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren, aber auch als Freude, sich in ein ungewisses Neues vortasten zu können. Das Wandeln auf schmalem Grat erzeugt Angst, aber auch Lust, und eine Vielzahl von Nuancen zwischen diesen Polen. Es kann belasten, aber auch befreien.“
Und mit einem ganz speziellen Befreiungsschlag startet auch das Festival – die Jerseyband zeigt am ersten Tag, wie umwerfend und gnadenlos Hard Core klingt, wenn er mit Trompete, drei Saxofonen, Gitarre, Bass und Schlagzeug gespielt wird.
Conny Bauer kombiniert in seinem Solo-Konzert „Der gelbe Klang“ Posaune mit Live-Elektronik, Lorenz Raabs Blue spüren in intelligenten und verblüffenden Instrumentierungen einer silbrigen Wehmut nach und erinnern damit, ob gewollt oder ungewollt, auch an Miles Davis. Der holländische Grotesk-Vokalkünstler Jaap Blonk wird Stargast der JAZZWELTEN-spezial-Vocal-Night, und Lou Reeds Lieblingsband Lucibel Crater aus New York verzaubert die Konzertbesucher mit Sounds an der Schnittstelle von Rock, Jazz, Kammermusik und Electro. Sie sind Meister darin, durch Loops und Live-Overdubs vielschichtige Songs mit verblüffenden Grooves und faszinierenden Klängen voller Ecken, Kanten und Hintertüren entstehen zu lassen.
Und schließlich gibt es auch eine Art „Feature-Ring Spezial“ mit dem Turntable- und Perkussionskünstler-Duo Christopher Rumble.
Das Gesamtprogramm sowie alle Infos – auch zum Ticketbezug – findet man auf der JAZZWELTEN-Seite des Jazzclubs Neue Tonne Dresden oder gleich über www.jazzwelten.de.
M. B.
(Gary Lucas improvisiert zu den JAZZWELTEN 2010 - wie hier im Bild in Malaga 2009 - zu Avantgarde-Filmen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Foto: PR)
Das Programm des 6. JAZZWELTEN-Festivals des Jazzclubs Neue Tonne steht. Das Festival, das diesmal unter dem Motto „Fragilitas“ vom 19. bis zum 27. März 2010 im Clubkeller des Jazzclubs Neue Tonne, im Clara-Schumann-Saal des Kulturrathauses und im Filmtheater Schauburg stattfindet, bietet trotz wiederum sehr beschränkter Finanzen innovative Musikprojekte – diesmal nicht selten aus den Grenzgebieten zwischen melodischen, zarten Improvisationen und elektronischer Musik – sowohl mit gestandenen Größen des internationalen zeitgenössischen Jazz als auch mit jungen, experimentierfreudigen Nachwuchsmusikanten.
Premieren (so hat der Sizilianer Francesco Cusa die Musik für den Auftritt mit seiner Band Skrunch extra im Auftrag der „Tonne“ zum Thema „Amoklauf“ komponiert) und Improvisationen zu Filmen – diesmal mit Gary Lucas zu Avantgarde-Filmen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – gehören ebenfalls wieder zum Programm. Auch das instrumentengeschichtlich erste elektronische Musikinstrument überhaupt, das Theremin, bekommt mit der audio-visuellen Show von Barbara Buchholz und pedda Borowski einen Hauptauftritt.
Die Macher des Programms, Dr. Helmut Gebauer und Steffen Wilde, wollen Musik vorstellen, die von der Zerbrechlichkeit des Seins oder dem Wandeln auf schmalem Grat „erzählt“. Ein existenzielles Thema unserer, aber bei weitem nicht nur unserer Zeit. Gebauer: „In diesem Thema schwingt auch nicht nur Schwermut mit, sondern ebenso Leichtigkeit, Verspieltheit, Glück, immer aber auf schmalem Grat. Das Gefühl, in einer fragilen Welt zu leben, der äußeren wie der inneren, hat viele Facetten. Es kann uns begegnen als Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren, aber auch als Freude, sich in ein ungewisses Neues vortasten zu können. Das Wandeln auf schmalem Grat erzeugt Angst, aber auch Lust, und eine Vielzahl von Nuancen zwischen diesen Polen. Es kann belasten, aber auch befreien.“
Und mit einem ganz speziellen Befreiungsschlag startet auch das Festival – die Jerseyband zeigt am ersten Tag, wie umwerfend und gnadenlos Hard Core klingt, wenn er mit Trompete, drei Saxofonen, Gitarre, Bass und Schlagzeug gespielt wird.
Conny Bauer kombiniert in seinem Solo-Konzert „Der gelbe Klang“ Posaune mit Live-Elektronik, Lorenz Raabs Blue spüren in intelligenten und verblüffenden Instrumentierungen einer silbrigen Wehmut nach und erinnern damit, ob gewollt oder ungewollt, auch an Miles Davis. Der holländische Grotesk-Vokalkünstler Jaap Blonk wird Stargast der JAZZWELTEN-spezial-Vocal-Night, und Lou Reeds Lieblingsband Lucibel Crater aus New York verzaubert die Konzertbesucher mit Sounds an der Schnittstelle von Rock, Jazz, Kammermusik und Electro. Sie sind Meister darin, durch Loops und Live-Overdubs vielschichtige Songs mit verblüffenden Grooves und faszinierenden Klängen voller Ecken, Kanten und Hintertüren entstehen zu lassen.
Und schließlich gibt es auch eine Art „Feature-Ring Spezial“ mit dem Turntable- und Perkussionskünstler-Duo Christopher Rumble.
Das Gesamtprogramm sowie alle Infos – auch zum Ticketbezug – findet man auf der JAZZWELTEN-Seite des Jazzclubs Neue Tonne Dresden oder gleich über www.jazzwelten.de.
M. B.
Mittwoch, 30. September 2009
Jazzclub Neue Tonne Dresden hat mit Steffen Wilde einen neuen Geschäftsführer
Der Jazzclub Neue Tonne Dresden hat mit Steffen Wilde (Jahrgang 1964) ab 1. Oktober 2009 einen neuen Geschäftsführer.
Der bisher in Halle/Saale tätige Wilde veranstaltet seit 1980 Konzerte mit zeitgenössischem Jazz. Er sammelte Erfahrung seit 1992 im Studentenklub Turm in Halle, war dort bis 2004 künstlerischer Leiter der Konzertreihe Turm Jazzclub. Später übernahm er die künstlerische Leitung der Konzertreihe Take 5 im Objekt 5, Halle. Von 1994–2003 war Steffen Wilde künstlerischer Leiter des Internationalen Moritzburg Jazzfestivals in Halle.
Seit 1997 betreibt er mit großem Erfolg die Künstleragentur Subtone Concerts, die zeitgenössische Jazzmusiker aus den USA, Japan, Österreich, der Schweiz und Skandinavien an mitteleuropäische Klub- und Festivalveranstalter vermittelt. Steffen Wilde soll die „Tonne“ nicht nur kaufmännisch, sondern vor allem auch künstlerisch leiten.
M. B.
Dienstag, 15. September 2009
Grafikdesign und Jazzclubwerbung – Überlegungen zu einem umstrittenen Thema
Jazzclubatmosphäre. (Foto: Jazzclub Neue Tonne Dresden)
Werbung haben sie alle nötig – die großen Kulturveranstalter wie die kleinen Jazzclubs. Aber wie wirbt man richtig? Wie wirbt ein Jazzclub als kleiner Veranstalter mit kleinem Budget trotzdem erfolgreich? Das Thema ist kompliziert und umstritten – nachfolgend ein paar Anmerkungen zur Gestaltung von Programmheften und -faltblättern, Plakaten und Anzeigen.
Vorüberlegung – Warum machen Unternehmen Werbung?
Die Antwort auf diese Frage ist nicht ganz so einfach wie im ersten Moment vermutet.
Natürlich werben sie, um ihre Produkte möglichst gut zu verkaufen. So weit klar – wenngleich auch in diesem anscheinend selbstverständlichen Punkt der Teufel im Detail liegt...
Aber Unternehmen werben auch, um Steuern zu sparen.
Und sie werben, um in der Öffentlichkeit ihre Unternehmensidentität mittels eines Corporate Designs zu schärfen, zu profilieren. Potenzielle Kunden oder Käufer sollen besser wissen, was, welche Leistungen und Produkte, manchmal auch welche Arbeitsweisen sie vom Unternehmen erwarten können.
Deshalb versuchen Unternehmen, sich selbst oder ihre Produkte zu „Marken“ zu entwickeln. Die damit zusammenhängenden Überlegungen münden zwangsläufig in das Bestreben, der künstlerischen Qualität, Kreativität und Originalität eine größere Rolle zuzumessen. An dieser Stelle kann, ja: muss Werbung zu Kunst werden.
Auf solche Weise prägen Unternehmen im ständigen Kampf um das Erreichen ihrer Firmenziele die visuelle Kultur unserer Gesellschaft mit.
Wenn Kulturveranstalter werben
Auf Kulturveranstalter treffen diese Überlegungen ganz besonders zu; das Bewusstsein, dass sie immer auch mitverantwortlich für die visuelle Qualität des Alltags sind, sollte bei ihnen deutlich ausgeprägt sein.
Gemeinnützige Vereine oder Staatsbetriebe erwirtschaften im Normalfall – anders als kommerzielle Agenturen und Veranstaltungshäuser – keine finanzielle Gewinne, die Frage des Steuersparens steht bei ihnen somit nicht. Da sie aber wesentlich mit „fremdem“ Geld von Förderern und Sponsoren arbeiten, sind sie in spezifischer Weise einem Erfolgsdruck ausgesetzt. Und die in den gemeinnützigen Vereinen unentgeltlich wirkenden Kulturenthusiasten wollen als „Lohn“ für ihr aufreibendes Ehrenamt wenigstens den Erfolg ihrer Veranstaltungen sehen – künstlerisch und in Besucherzahlen.
Printwerbung kleiner Kulturveranstalter
Warum also machen kleine Kulturveranstalter Werbung? Auch das ist nicht ganz so leicht zu beantworten wie im ersten Moment vermutet.
Natürlich werben sie, um viele Besucher zu ziehen. Allerdings: Die Werbewirkung der herkömmlichen Printmedien wie Monatsprogramme und Plakate ist bisher nicht wirklich untersucht. Während große Agenturen und Veranstaltungshäuser viel, viel Geld in eine flächendeckende Printwerbung stecken und auf diese Weise versuchen, auf „Nummer sicher“ zu gehen (nach dem Motto: Irgend etwas bleibt wohl bei jedem hängen...), steht den kleinen Kulturveranstaltern schon aus finanziellen Gründen dieser Weg nicht offen. (Besonders für sie ist Werbung mit eigenen Websites und E-Mail-Rundbrief unverzichtbar, denn sie kostet fast nichts, kann sofort auf Programmveränderungen reagieren und nutzt das Medium, das dem Publikumsnachwuchs am vertrautesten ist.)
Weil aber Werbung mit gedruckten Monatsprogrammen oder Plakaten richtig Geld kostet, suchen die kleinen Veranstalter händeringend nach Antworten auf die Fragen, wohin und wie Monatsflyer etwa verteilt werden sollten und wie sie gestaltet werden müssen, damit sie wirken.
Groß, grell, provokant – hilft das wirklich?
Es erfordert viel Mühe und gegebenenfalls viel Geld für eine entsprechende Studie, diese Fragen befriedigend zu beantworten.
Zusätzlich erliegt man schnell der Gefahr, mit wahrnehmungspsychologischen Schnellschüssen zu problematischen gestalterischen Lösungen für die Printwerbung zu gelangen. Groß, grell, provokant – solche Formensprachen sind längst nicht immer geeignete Mittel, mit denen man Aufmerksamkeit erregen und danach noch potenzielle Interessenten wirklich ins Konzert kriegen kann.
„Worauf ein Betrachter seine Aufmerksamkeit lenkt, wird ihm durch die verschiedenen Sozialisationspraktiken seines Kulturkreises wie beispielsweise die Erziehung eingeprägt“, erklärt die Forschung, so erst 2005 Hannah-Faye Chua (Universität von Michigan, Ann Arbor) in einer Studie „From the Cover: Cultural variation in eye movements during scene perception“.
Auch die kulturelle Bewertung der sichtbaren Gestaltungselemente ist abhängig von den verschiedenen Sozialisationssystemen und Subkulturen.
Klar, dass dies nicht nur auf die verschiedenen großen Kulturkreise zutrifft, sondern auch in spezifischer Form auf die vielen kleineren kulturellen Subsysteme.
So gilt beispielsweise die Schwarzweiß-Fotografie im Jazz-, Theater- und Konzertmusikbereich noch viele Jahre nach der Einführung der Digitalfotografie und des preiswerten Farbdruckes als wertvolles, adäquates künstlerisches Gestaltungsmittel, während sie in anderen Bereichen als langweilig oder gar unangemessen bewertet wird.
Eine ganze Reihe von extra entworfenen Schriften – exemplarisch sichtbar an der sich verändernden Titelschriftmarke der einstigen Techno-Zeitschrift „Frontpage“ – stehen symbolhaft für die Techno-Kultur, wie der Typografieprofessor Friedrich Friedl mit seinem Text „Buchstaben in Bewegung. Die Typografie der Techno-Generation“ ausführlich darstellte; in anderen musikkulturellen Zusammenhängen würde die Nutzung dieser Schriften und Gestaltungsweisen als deplaziert empfunden werden.
Mit anderen Worten: Was für den Einen „gepflegte Langeweile“ hervorruft, ist für den Anderen Professionalität, was auf den Einen provokant wirkt, ist für den Anderen Selbstverständlichkeit, was für den Einen missverständlich wirkt, ist für den Anderen in der Aussage glasklar – je nachdem, in welchen ästhetischen Zeichensystemen sich die Beteiligten zuhause oder angesprochen fühlen.
Printwerbung für den Jazzclub – aber wie?
Als Jazzclub mit seiner Printwerbung zu versuchen, Aufmerksamkeit in allen kulturellen Subsystemen – beim Rock- wie beim Volksmusikpublikum, unter den Freunden der zeitgenössischen Konzertmusik ebenso wie bei den Soul-, Blues- und Funkfans, bei den Chansonliebhabern wie bei den Freejazzfreunden – zu erzeugen, indem man die diversen Adressatengruppen jeweils in ihren spezifischen visuellen „Sprachen“ anspricht, ist ein hoffnungs- und sinnloses Unterfangen (würden doch zum Beispiel die Volksmusikfreunde sehr schnell merken, dass es sich um Jazz, nicht um Volksmusik handelt). Dies gilt noch stärker für die Bevölkerungsgruppe der allgemein Uninteressierten, für die man noch nicht einmal eine spezielle visuelle „Sprache“ feststellen kann.
Wenn also kleine Kulturveranstalter – auch Jazzclubs – schon Geld für Printwerbung ausgeben, obwohl sie eigentlich nicht wissen, wie und wie erfolgreich bestimmte Grafikgestaltungen bei wem wirken, so tun sie das ganz besonders auch, um vor der Öffentlichkeit, vor dem potenziellen Publikum, ihr eigens Profil, ihr eigenes Image zu schärfen. Sie tun es, um sich als Marke zu profilieren.
Wo „Jazzclub Neue Tonne Dresden“ drin ist, sollte die Werbung auch so gestaltet sein, dass dies erkennbar ist – und unter der Marke „Tonne“ symbolisiert sein.
„Jazz“ gibt’s in vielen Formen und überall – von Dixieland über Swing, von Fusion und Blues bis Free, von Crossover bis Cool, veranstaltet von kleinen Klubs bis zu Opern, von Kaufhäusern bis zu Agenturen, von Theatern bis zu Volksfesten.
Sowenig wie eine Semperoper für „Oper“, ein Staatsschauspiel für „Theater“ und ein Beatpol für „Rock“ werben, so wenig wäre es sinnvoll, wenn der Jazzclub Neue Tonne Dresden für „Jazz“ werben würde und erst in zweiter und dritter Linie mühselig erklärte, um welchen Jazz es sich denn handelt. Nein – die Einrichtungen sind zu recht bemüht, als eine Marke mit einem bestimmten, durchaus ausdifferenzierten Inhalt wahrgenommen zu werden und darüber an ihr Publikum zu gelangen.
„Zeichen setzen“ – Club ist als „Marke“ besser erkennbar
Klar ist, dass die Markenprofile sich immer wieder mal wandeln. Das veränderte visuelle Gesicht des Staatsschauspiels Dresden unter neuem Intendanten ist ein Beispiel dafür – wenn auch nicht gerade eins für gutes grafikdesignerisches Gelingen. Der neue Intendant bringt eine andere Programmatik mit, und dies soll durch ein anderes „Gesicht“ des Theaters verdeutlicht werden.
Vor allem der Beatpol Dresden, der Independent-Rockclub im Osten Deutschlands, zeigt, dass die Sache mit der „Marke“ funktionieren kann. Ohne sich vordergründig als „Rock“ zu rubrizieren, hat er sich ein Profil aufgebaut, dessentwegen das Publikum fast automatisch kommt, sogar ohne großen Werbeaufwand.
Klubs jedoch, die sich überwiegend den zeitgenössischen und experimentellen Musikformen widmen, verfügen nicht annähernd über ein so großes Publikumsreservoir wie ein Independent-Rockclub.
Sie müssen deswegen besondere Anstrengungen in der Werbung – vor allem auch in der Marken-Profilierung – unternehmen. Sie müssen weithin wahrnehmbar „Zeichen setzen“ – im doppelten Sinn: inhaltlich durch ihre Veranstaltungstätigkeit und werbegrafisch durch ihr bemerkenswertes „Gesicht“.
Für die Entwicklung eines solchen „Gesichts“ bedarf es normalerweise eines Fachmannes und einiger gründlicher Überlegungen.
Die Kompetenz der Grafikdesigner herauskitzeln, nicht darauf verzichten
Demgegenüber wird die Kompetenz konzeptioneller Denker und vor allem guter Grafikdesigner immer häufiger geringgeschätzt. Viele Auftraggeber vertreten die irrige Meinung, sie könnten die Entwicklung eines solchen visuellen „Gesichts“ eigentlich selbst leisten. Also schreiben sie den auftragnehmenden Grafikdesignern die grafische Lösung häufig bis in Gestaltungsdetails hinein vor – mit schauerlichen und sogar schädlichen Ergebnissen.
Nicht jeder Grafiker wird solche undankbaren Aufträge ablehnen können. Befragt danach, wofür Grafikdesigner, wenn sie die Aufträge haben, denn eigentlich ihr Geld kriegen, antwortete ein europaweit mehrfach ausgezeichneter Grafikdesigner mit ironisch-resignativem Unterton: „Ich wag mal 'ne Antwort: Für widerspruchslose Erfüllung der Auftraggeberwünsche.“
Aber kleine Veranstalter sind auf jeden einzelnen Besucher angewiesen – und darauf, dass sie bei potenziellen Förderern und Sponsoren, aber auch beim Publikum als Marke deutlich erkennbar sind.
Gerade sie sollten bei der Konzeption ihrer Werbemaßnahmen nicht auf die Kompetenz von Fachleuten, vor allem Grafikdesignern, verzichten, sondern die Kompetenz der Grafikdesigner herauskitzeln.
Im Jazzbereich gab und gibt es immer wieder positive Beispiele, allerdings vorwiegend für Festivals, so die zu dessen Lebzeiten von Jürgen Haufe entworfene Gesamtausstattung der Leipziger Jazztage oder auch – aktuell – das Corporate Design des Jazzfestivals Saalfelden.
Jazzclubs dagegen tun sich schwer.
Mathias Bäumel
Dienstag, 11. August 2009
Sächsische Kulturstiftung gibt 2009 mehr Geld für Jazz als im Jahr zuvor
Wie funktioniert die Klaviatur der sächsischen Jazzförderung? Trotz Aufstockung bleibt diese Musik ein Stiefkind: Im Jahre 2008 betrug der Anteil der Jazzförderung am Fördervolumen Darstellende Kunst/Musik lediglich etwa 7 Prozent. (Foto: Christian Seidel/pixelio)
Für die Förderung von Jazz und improvisierter Musik gibt die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen im Jahre 2009 78.200 Euro aus. Das sind 9.000 Euro mehr als im Jahr davor. Regional gesehen sind dabei Leipziger Veranstalter die Gewinner – 2009 fließen 24.000 Euro mehr als noch 2008 in Leipziger Projekte, während Chemnitzer und Dresdner Projekte mit 15.000 Euro weniger als 2008 von der sächsischen Kulturstiftung gefördert werden.
In Dresden vorgenommene Einsparungen gehen vornehmlich zu Lasten innovativer und künstlerisch freier Projekte. So erhielt das Jazzwelten-Festival des Jazzclubs Neue Tonne weniger, das Festival Frei Improvisierter Musik der Blauen Fabrik überhaupt keine Förderung. In Dresden von einer Kürzung verschont geblieben sind dagegen die eher auf konventionelle und mehrfach eingeführte Programmpunkte orientierten Jazztage Dresden der kommerziellen Agentur Grandmontagne.
Jedoch profitieren in Leipzig gerade innovative und künstlerisch freie Projekte von finanzieller Aufstockung und Umverteilung der Gelder der sächsischen Kulturstiftung.
Damit unterstützen diese Förderentscheidungen im Gegensatz zu den Intentionen der antragstellenden Dresdner Veranstalter die in der Öffentlichkeit vorgefassten Meinungen vom kreativen Leipzig und dem eher konservativen Dresden.
Auch das innovative, zeitgemäße Telekommunikationstechnik einbeziehende Improvisationsprojekt zur Chemnitzer Jazzakademie (B.I.G. Verein zur Förderung der musikalischen Bildung e. V.) erhielt keine Förderung, während das auf musikpädagogische Ziele und stilistische Breite orientierte Leipziger Improvisationsfestival des erst vor kurzem von Berlin nach Leipzig umgezogenen Deutschen Instituts für Improvisation e. V. sofort mit 8000 Euro gefördert wurde.
Im Jahre 2008 bearbeitete der Fachbeirat Darstellende Kunst und Musik 261 Anträge, davon wurde die reichliche Hälfte (139) mit einer Fördersumme von zusammen 1.031.623,65 Euro positiv beschieden.
Als Teil dessen ist die Förderung des Jazz und der improvisierten Musik verschwindend gering. Der Anteil der Jazzförderung am Fördervolumen Darstellende Kunst/Musik betrug 2008 lediglich etwa 7 Prozent. Im Jahre 2009, für das exakte Zahlen noch nicht vorliegen, „haben wir einen ähnlichen Zahlenkorridor“, wie der stellvertretende Stiftungsdirektor Dr. Manuel Frey sagt.
Der Fachbeirat Darstellende Kunst und Musik der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen sichtet die eingehenden Förderanträge und erarbeitet für die jährlich zwei Förderperioden jeweils eine Empfehlung. Diese Empfehlung werde dann vom Vorstand „nahezu immer“, wie Frey erläutert, übernommen und zur Förderung beschlossen.
Die Mitgliedschaft im Fachbeirat läuft über drei Jahre, auch, „um Verkrustungen zu vermeiden, neues Wissen zu berücksichtigen und von neuen Sichtweisen profitieren zu können“, so Frey.
Der aktuelle Fachbeirat Darstellende Kunst und Musik, der auch die Jazz-Anträge der nächsten Förderperiode begutachtet, hat sieben Mitglieder, darunter vier Fachleute für Theater und Tanz sowie drei für Musik: den Leipziger Kirchenmusikfachmann Professor Christoph Krummacher, den Musikhistoriker und Schütz-Fachmann Professor Matthias Herrmann aus Dresden und den jungen Leipziger Komponisten Christian FP Kram.
(M. B.)
Dienstag, 3. März 2009
Pago Libres FAKE FOLK: The True Story Of Original Fake Folk Music
Pago Libre (Foto: Mark Nussbaumer/www.pagolibre.com).
Pago Libre hat ein neues Programm, dessen Deutschlandpremiere zum JAZZWELTEN-Festival am 28. März 2009 in Dresden stattfindet. John Wolf Brennan macht auf dieses Programm neugierig:
Jeder der vier Musiker von Pago Libre steht in einer musikalischen Tradition; keiner von uns jedoch kann in seiner Familie einen archaisch jodelnden Bergbauern, Original Wiener Heurigensänger, chassidischen Klezmer-Geiger oder Balalaika spielenden Kosaken vorweisen. Mit einem Wort: Um unsere volkstümliche Authentizität ist es schlecht bestellt.
Wenn uns nun aber nach unseren Anfängen in der europäischen Kunst-, Kammer-, Pop- und Jazzmusik die Faszination exotischer Volksmusiken nachhaltig geprägt hatte? Wenn uns dadurch seit vielen Jahren eine volksmusikalisch inspirierte, musikantische Spielweise so ans Herz gewachsen war? Woher sollten wir unsere Authentizität nehmen?
Kann man Authentizität imitieren? Wenn ja, ist das Ergebnis jedenfalls automatisch genau das Gegenteil von authentisch. Nein, wir mussten uns unsere Authentizität schon selbst erarbeiten!
Also schritten wir zur Erschaffung unserer individuellen Volksmusik: Anstatt die Musik unserer Vorfahren zu ergründen, betrachteten wir unsere eigene musikalische Entwicklung (ja, wir sind alt genug, um gemeinsam auf fast 190 Jahre persönliche Musikgeschichte zurückblicken zu können!); anstatt die Melodien fremder Länder aufzuzeichnen, erforschten wir die Musik der weitgehend unbekannten Völker, die seit Jahrzehnten in unseren Eingeweiden, in unseren Herzkammern und unter unseren Schädeldecken hausen.
Da die so entstandenen Musikstücke in ihrem musikantischen Zugriff und ihren zwar komplexen, aber immer tänzerischen Rhythmen nicht selten an bereits existierende Folk-Stile erinnern, darf mit einigem Recht behauptet werden, Pago Libre spiele gefälschte Volksmusik, „Fake Folk“ also. Wir sagen: Es ist unsere persönliche Originalmusik, „Original Fake Folk“ gewissermaßen!
Natürlich ist „Fake Folk“ auch „Weltmusik“, global orientiert, allen Einflüssen offen – und gleichzeitig doch auch das Gegenteil davon, nämlich kompromisslose Individual-Musik.
Und schließlich ist es eine Volksmusik, deren Volk vorerst nur aus vier Personen besteht …
Original Fake, Individual Global, Volksmusik ohne Volk: paradox ist das in jedem Fall, aber soooo schön!!
John Wolf Brennan
Konzert zu den JAZZWELTEN Dresden hier.
Pago Libre hat ein neues Programm, dessen Deutschlandpremiere zum JAZZWELTEN-Festival am 28. März 2009 in Dresden stattfindet. John Wolf Brennan macht auf dieses Programm neugierig:
Jeder der vier Musiker von Pago Libre steht in einer musikalischen Tradition; keiner von uns jedoch kann in seiner Familie einen archaisch jodelnden Bergbauern, Original Wiener Heurigensänger, chassidischen Klezmer-Geiger oder Balalaika spielenden Kosaken vorweisen. Mit einem Wort: Um unsere volkstümliche Authentizität ist es schlecht bestellt.
Wenn uns nun aber nach unseren Anfängen in der europäischen Kunst-, Kammer-, Pop- und Jazzmusik die Faszination exotischer Volksmusiken nachhaltig geprägt hatte? Wenn uns dadurch seit vielen Jahren eine volksmusikalisch inspirierte, musikantische Spielweise so ans Herz gewachsen war? Woher sollten wir unsere Authentizität nehmen?
Kann man Authentizität imitieren? Wenn ja, ist das Ergebnis jedenfalls automatisch genau das Gegenteil von authentisch. Nein, wir mussten uns unsere Authentizität schon selbst erarbeiten!
Also schritten wir zur Erschaffung unserer individuellen Volksmusik: Anstatt die Musik unserer Vorfahren zu ergründen, betrachteten wir unsere eigene musikalische Entwicklung (ja, wir sind alt genug, um gemeinsam auf fast 190 Jahre persönliche Musikgeschichte zurückblicken zu können!); anstatt die Melodien fremder Länder aufzuzeichnen, erforschten wir die Musik der weitgehend unbekannten Völker, die seit Jahrzehnten in unseren Eingeweiden, in unseren Herzkammern und unter unseren Schädeldecken hausen.
Da die so entstandenen Musikstücke in ihrem musikantischen Zugriff und ihren zwar komplexen, aber immer tänzerischen Rhythmen nicht selten an bereits existierende Folk-Stile erinnern, darf mit einigem Recht behauptet werden, Pago Libre spiele gefälschte Volksmusik, „Fake Folk“ also. Wir sagen: Es ist unsere persönliche Originalmusik, „Original Fake Folk“ gewissermaßen!
Natürlich ist „Fake Folk“ auch „Weltmusik“, global orientiert, allen Einflüssen offen – und gleichzeitig doch auch das Gegenteil davon, nämlich kompromisslose Individual-Musik.
Und schließlich ist es eine Volksmusik, deren Volk vorerst nur aus vier Personen besteht …
Original Fake, Individual Global, Volksmusik ohne Volk: paradox ist das in jedem Fall, aber soooo schön!!
John Wolf Brennan
Konzert zu den JAZZWELTEN Dresden hier.
Donnerstag, 30. Oktober 2008
Blick in die Zukunft des Jazz – Das Contemporary Noise Sextet aus Polen
Am 6. Dezember 2008 findet das Auftaktkonzert für das Festival JAZZWELTEN 2009 »Spannungsfelder« statt
(Contemporary Noise - noch als Quintet; Foto: Szulc)
Am Anfang waren sie fünf. Als Contemporary Noise Quintet setzten die wagemutigen jungen Polen mit der Premieren-CD „Pig inside the Gentleman“ jenen poetischen Weg fort, der in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts von solchen Jazz-Klassikern wie Krzysztof Komeda und Andrzej Kurylewicz eröffnet und beschritten wurde. Ein kräftiger und wilder Sound und dabei gleichzeitig mit erhebenden und inspirierenden Themen, die das Flair von Filmmusik schaffen. Das Contemporary Noise Quintet sei nicht das, was der Name impliziere, schrieb vor zwei jahren die Jazz-Internetplattform AllAboutJazz. »Die Jungs spielen Jazz in der Art und Weise, wie gerade sie es für richtig halten. Und das bedeutet, ihn mit vielen Ausdrucks- und Spielweisen anzureichern.« Und das tun sie mit viel Finesse, mit unvergleichlichem Geschick und einem großen Sinn für Humor. Die Musik dieser Gruppe ist eine interessante Mischung von Jazz, Filmmusik und freier Improvisation. Sie ist auch echt „noise“: ein lauter und mutiger Balanceakt zwischen Melancholie, Geheimnis und lebendigem Rocksound. Das Ineinanderfließen von Klängen verschiedener Instrumente kreiert einen so energetischen Groove, dass es einem schwindlig werden kann. – Jazz von heute!
Seit wenigen Monaten hat sich die Band zum Sextet vergrößert und eine neue CD eingespielt, mit deren Musik das Sextet nun tourt – „Unaffected Thought Flow“.
Das Konzert des Contemporary Noise Sextets am 6. Dezember im Dresdner Jazzclub Neue Tonne ist der Auftakt für das 5. Festival JAZZWELTEN 2009, das die „Tonne“ unter dem Motto „Spannungsfelder“ vom 20. bis 28. März 2009 veranstaltet. Zu diesem Konzert des Contemporary Noise Sextets wird der Dresdner Jazzclub den Stand der Programmplanung für die 2009er JAZZWELTEN-Ausgabe vorstellen.
Seit wenigen Monaten hat sich die Band zum Sextet vergrößert und eine neue CD eingespielt, mit deren Musik das Sextet nun tourt – „Unaffected Thought Flow“.
Das Konzert des Contemporary Noise Sextets am 6. Dezember im Dresdner Jazzclub Neue Tonne ist der Auftakt für das 5. Festival JAZZWELTEN 2009, das die „Tonne“ unter dem Motto „Spannungsfelder“ vom 20. bis 28. März 2009 veranstaltet. Zu diesem Konzert des Contemporary Noise Sextets wird der Dresdner Jazzclub den Stand der Programmplanung für die 2009er JAZZWELTEN-Ausgabe vorstellen.
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