Montag, 22. Dezember 2008

Kommt, Ihr G’spielen: Das Zentralquartett kam nach Dresden - und spielte wie der Teufel!

Das Zentralquartett am 20. Dezember 2008 in der „Tonne“ Dresden. (Foto: Matthias Creutziger)

Einen rekordverdächtigen Besucherandrang bescherte der Auftritt des Zentralquartetts am 20. Dezember 2008 dem Jazzclub Neue Tonne Dresden. Die äußerst agilen vier nun schon etwas älteren Herren brillierten mit einem atemberaubenden Zusammenspiel, mit begeisternder musikantischer Souveränität und dem großen Atem der Jazzgeschichte. Mit diesem denkwürdigen Konzert krönte das Quartett, das 1973 als „Synopsis“ zum Jazz Jamboree in Warschau ganz Jazz-Europa aufhorchen ließ, das Konzertprogramm der „Tonne“ des Jahres 2008. Im Zentrum des musikalischen Geschehens befanden sich auch diesmal jene Melodien der deutschen Volksmusik, die von Uli Gumpert und seinen Workshopbands, von Synopsis und dem Zentralquartett im Laufe der letzten 35...40 Jahre dem muffig-stinkigen Sumpf falscher Ideologien entrissen und durch frisch-freejazzige Interpretationen als musikkulturelle Schätze erkennbar gemacht wurden.

Freitag, 5. Dezember 2008

Von der Sprengung der normativen Jazzästhetik

Vor 35 Jahren begeisterte Synopsis in Warschau die europäische Jazz-Szene


Das Zentralquartett 1994. (Foto: Matthias Creutziger)

Ein Jubiläum steht an. Und zwar eines, das auf das vielleicht folgenreichste Konzert verweist, das eine DDR-Jazz-Band je gegeben hatte. Vor 35 Jahren, im Oktober 1973, gab die Ostberliner Band Synopsis ein Konzert im Rahmen des Festivals Jazz Jamboree in Warschau.

Die Ur-Besetzung von "Synopsis" - anfangs noch als Ulrich Gumpert Quartett firmierend - bestand aus der Rhythmusgruppe der damaligen Kultband SOK. Mitglieder waren Günter Baby Sommer (Drums), Gert Lübke (Bassgitarre), Günter Dobrowolski (Gitarre), und Ulrich Gumpert (E-Piano).

Dieses Quartett spielte um 1972 herum einige Konzerte und es nahm während eines Konzertes in der "Großen Melodie" am 11. September 1972 einige eigene Titel auf, gemeinsam mit Ernst-Ludwig "Luten" Petrowsky.

Mit diesem Band bewarben sich Uli Gumpert und Baby Sommer im Oktober 1972 in Warschau beim Jazz Jamboree für 1973. "Eigentlich", so Baby Sommer heute verschmitzt, "dachte ich zuerst und vor allem an Willis Conover, den in Warschau ich zu treffen hoffte." Conover war verantwortlicher Moderator der auch im Ausland sehr populären Voice of America Jazz Hour bzw. Music USA des US-Rundfunksenders "Voice of America". Conover war zwar in den USA kaum bekannt, dafür aber eine sehr einflussreiche und bekannte Persönlichkeit in Osteuropa. Sommer damals zu Gumpert: "Im Radioprogramm von Voice of America gespielt zu werden, das wäre doch was!" Doch Gumpert bremste etwas und meinte, ein Auftritt beim Jazz Jamboree in Warschau sei schon viel - und übergab das Band dem Festivalveranstalter. Und tatsächlich: Synopsis wurde für 1973 eingeladen!

In den Monaten darauf veränderte sich aber die Besetzung von Synopsis. Gert Lübke und Günter Dobrowolski schieden aus. "Sie konnten dem Drängen nach freieren Spielweisen von Uli und mir nicht folgen, die beiden waren eher auf Muggen zum Geldverdienen orientiert, wir dagegen wollten radikalere und eigene improvisierte Musik machen", erinnert sich nach etwa 35 Jahren Baby Sommer. Gert Lübke sieht das im September 2008 ähnlich. "Ich hatte acht Personen zu ernähren, und mit diesem Jazz konnte man nicht gerade Geld verdienen... So hatte ich mich um weitere Verdienstmöglichkeiten gekümmert, hatte viel im Rundfunk zu tun, auch bei Jo Kurzweg, so dass ich bei Synopsis nicht mehr mitmachen konnte." Schließlich gingen Lübke und Dobrowolski ganz zum Orchester Jo Kurzweg (dem Orchester des DDR-Fernsehens), das auch viele erfolgreiche Amiga-LPs herausgab, und Conny Bauer sowie "Luten" Petrowsky stiegen stattdessen bei Synopsis ein. - Die sogenannte Originalbesetzung von Synopsis (was ja, genau genommen, nicht stimmt) war geboren.

Logisch, dass die Veranstalter des Jazz Jamboree-Festivals 1973 zunächst sehr skeptisch waren, denn sie waren überrascht nicht nur von der aktuellen, sich von den Bewerbungsunterlagen unterscheidenden Besetzung - Conny Bauer, Posaune; Uli Gumpert, Piano; Ernst-Ludwig Petrowsky, Altsax; Baby Sommer, Drums -, sondern auch vom radikalen Freejazz der Gruppe, mit dem die Polen keinesfalls gerechnet hatten.

Das Publikum, zu dem auch viele aus aller Herren Länder angereiste Jazzfans gehörten, aber feierte das ostdeutsche Quartett frenetisch. Die Konsequenzen: die internationale Jazz-Welt, für die das Warschauer Jazz Jamboree stets eine Bühne für Jazz aus realsozialistischen Ländern war (und für die Musiker von da immer auch ein Sprungbrett in die internationale Bedeutsamkeit), schaute plötzlich auf die Freejazzer aus der DDR, anerkannte schrittweise deren Bemühen, freie Improvisationen mit den hiesigen, deutschen Volksmusiktraditionen zu verbinden und nahm auf diese Weise den europäischen Freien Jazz insgesamt mehr in den Blick.
Es kam für Synopsis zu Einladungen, zur Zusammenarbeit mit westeuropäischen Spitzenmusikern und zu immer mehr internationalen Auftritten der Synopsis-Musiker. Vor allem befruchtete dieser "Urknall" die Herausbildung einer spezifisch europäischen Improvisationsmusik und ermöglichte eine immer intensiver werdende Kooperation mit westdeutschen Kollegen.
Dieser wirklich "bahnbrechend" zu nennende Erfolg von Synopsis im Herbst 1973 führte auch dazu, dass die offizielle DDR-Kulturpolitik den Freejazz im eigenen Land als international anerkannt wahrnehmen und ihre eigenen Auffassungen zu Gut und Schlecht in der Musik revidieren musste. Synopsis 1973 in Warschau - das initiierte nicht mehr und nicht weniger als einen Paradigmenwechsel in der DDR-, ja: gesamtdeutschen, vielleicht sogar europäischen Jazzkultur.

Wie so häufig im Bereich der DDR-Jazz- und Rockmusik: der Rundfunk der DDR reagierte schneller als die Schallplatte. Schon am 5. und 6. März 1974 nahm Synopsis im Rundfunk-Studio fünf Titel auf, die archiviert und teils gesendet wurden. Doch der Erfolg rief auch Amiga auf den Plan - diesmal schnell: Das Quartett nahm im Studio des DDR-Schallplattenlabels am 22. und 23. April sechs Stücke auf, die noch 1974 auf der ersten Synopsis-LP erschienen.
Free Music Production (FMP) in Westberlin kaufte die fünf Aufnahmen des Rundfunks der DDR und veröffentlichte sie - ebenfalls noch 1974 - als LP mit dem Titel "Auf der Elbe schwimmt ein rosa Krokodil".
1975 verließ Conny Bauer die Band, um seine eigene Gruppe FEZ zu gründen (mit Hannes Zerbe, p; Joe Sachse, g; Christoph Niemann, b; Peter Gröning, dr), ersetzt wurde er bei Synopsis durch den Bassisten Klaus Koch.
Dieses Quartett konnte ein 1977 in Mittweida stattfindendes Konzert mitschneiden, das erst 1996 durch das Engagement von Uli Gumpert und den FMP-Leuten auf dem Privat-Label Syn als CD "Synopsis'77 - Live in Mittweida" herauskam.
Um 1978 löste sich die Band zunächst auf - zu viele verschiedene Projekte, Angebote und Tourneen wollten bewältigt sein...

Erst 1984 kam es zu einer Wiedergründung - auf Initiative Baby Sommers anlässlich einer Konzertreihe in Paris, diesmal jedoch unter dem Namen "Zentralquartett". Die für das französische Label "nato" eingespielte LP "Ascenseur Pour Le 28" (nato 329) firmiert auf dem Cover als "Günter Sommer et trois vieux amis", was die treibende Rolle Sommers für das Quartett nur unterstreicht.
Unmittelbar nach der Wende erschien auf dem Amiga-Nachfolger Zong die nächste LP (die erste unter diesem neuen Namen), die später - ebenso wie das "Rosa Krokodil" - auf dem schweizerischen Intakt-Label als CD wiederveröffentlicht wurde. Seither legte die "Viererbande" bis in die Gegenwart auf Intakt Records noch drei weitere CDs vor: "Plié", "Careless Love" und "11 Songs - Aus Teutschen Landen".

Bert Noglik stellte vor fünf Jahren, zum dreißigsten Geburtstag der Band, fest: "Von ‚Synopsis´ zum ‚Zentralquartett´: der Zusammenschluss von vier Individualisten zu einer musikalisch-konspirativen Vereinigung, Initialzündung und Assoziationskette: Mutig wurde eine normative Jazzästhetik aufgesprengt, das Panorama des freien Spiels ausgeschritten und das vermeintliche Vakuum mit gestaltbildender Kraft ausgefüllt." Dies gilt heute immer noch. Und Noglik weiter: "Diese Band kündete von einem neuen Selbstbewusstsein, das gewissermaßen in ständiger Reibung mit der Enge der Verhältnisse, der Behauptung gegenüber Bevormundung, im Austausch mit der internationalen improvisierten Musik und in Tuchfühlung mit der heimischen Zuhörerschaft gewachsen war."
Das dies auch heute noch zu spüren und dass eine solche Musik gerade auch heute wieder nötig ist - davon kann sich jeder Musikfreund am 20. Dezember 2008 zum Zentralquartett-Konzert im Jazzclub Neue Tonne Dresden überzeugen.

Nachbemerkung zur Geschichte:
Lübke und Dobrowolski spielten zunächst weiterhin auch bei SOK, schließlich gingen beide nach der Auflösung von SOK 1975 ganz zum Orchester Jo Kurzweg.

Günter Dobrowolski - 1968 gemeinsam mit anderen Gründungsmitglied des Modern Septetts Berlin, später Modern Soul - bekam schon bei Jo Kurzweg Probleme mit seinem eigenen Tabletten- und Alkohol-Konsum, schließlich flog er dort aus der Band und hatte es - obwohl ein guter Gitarrist - immer schwerer, Arbeit zu finden. Vor einigen Jahren nahm sich Günter Dobrowolksi das Leben.


Der mittlerweile über 70 Jahre alte Gert Lübke arbeitet vor allem in und um Berlin immer noch als Bassist und Bassgitarrist in verschiedenen Bands, darunter regelmäßig bei Acki Hoffmann & Friends im Berliner Jazz- und Bluesschuppen "Yorckschlösschen". Was jedoch nicht ausschließt, dass Lübkes Name auch immer wieder bei größeren Formationen wie der Jazz Bigband Berlin und der Swing Collection Berlin auftaucht. "Ich bin froh, dass ich gesundheitlich gesehen noch ganz gut dabei bin, noch spielen kann", so Lübke am Telefon. Er sei eben ein "Telefonmusiker", der heute von diesem, morgen von jenem angerufen werde, wenn ein versierter Bassist gebraucht wird.

Freitag, 28. November 2008

Zum Nikolaus brennt in der „Tonne“ nicht die Zeitung, aber die Luft

Am 6. Dezember 2008 konzertiert das Contemporary Noise Sextet in der Dresdner „Tonne“













Das nächste Festival JAZZWELTEN des Jazzclubs Neue Tonne Dresden wirft seine Schatten voraus - es wird vom 20. bis 28. März 2009 stattfinden, die Arbeiten am Programm sind fast abgeschlossen. Ab etwa Januar steht das Programm dann auf der „Tonne“-Internetseite.

Aber schon jetzt wird der Dresdner Jazzclub mit einem ersten Auftakt-Konzert auf die JAZZWELTEN 2009 aufmerksam machen.

Dafür hat er eine wirkliche „Überflieger-Band“ eingeladen, deren Konzert am 6. Dezember 2008 (21 Uhr) auf das verweist, worum es bei den JAZZWELTEN 2009 gehen wird:
Das CONTEMPORARY NOISE SEXTET bietet Jazz -- so kräftig, wild und charmant wie Filmmusik, Klänge im Spannungsfeld zwischen Druck und Poesie, Wucht und Finesse! Eine Hammer-Band!



Donnerstag, 30. Oktober 2008

Blick in die Zukunft des Jazz – Das Contemporary Noise Sextet aus Polen

Am 6. Dezember 2008 findet das Auftaktkonzert für das Festival JAZZWELTEN 2009 »Spannungsfelder« statt



(Contemporary Noise - noch als Quintet; Foto: Szulc)

Am Anfang waren sie fünf. Als Contemporary Noise Quintet setzten die wagemutigen jungen Polen mit der Premieren-CD „Pig inside the Gentleman“ jenen poetischen Weg fort, der in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts von solchen Jazz-Klassikern wie Krzysztof Komeda und Andrzej Kurylewicz eröffnet und beschritten wurde. Ein kräftiger und wilder Sound und dabei gleichzeitig mit erhebenden und inspirierenden Themen, die das Flair von Filmmusik schaffen. Das Contemporary Noise Quintet sei nicht das, was der Name impliziere, schrieb vor zwei jahren die Jazz-Internetplattform AllAboutJazz. »Die Jungs spielen Jazz in der Art und Weise, wie gerade sie es für richtig halten. Und das bedeutet, ihn mit vielen Ausdrucks- und Spielweisen anzureichern.« Und das tun sie mit viel Finesse, mit unvergleichlichem Geschick und einem großen Sinn für Humor. Die Musik dieser Gruppe ist eine interessante Mischung von Jazz, Filmmusik und freier Improvisation. Sie ist auch echt „noise“: ein lauter und mutiger Balanceakt zwischen Melancholie, Geheimnis und lebendigem Rocksound. Das Ineinanderfließen von Klängen verschiedener Instrumente kreiert einen so energetischen Groove, dass es einem schwindlig werden kann. – Jazz von heute!
Seit wenigen Monaten hat sich die Band zum Sextet vergrößert und eine neue CD eingespielt, mit deren Musik das Sextet nun tourt – „Unaffected Thought Flow“.
Das Konzert des Contemporary Noise Sextets am 6. Dezember im Dresdner Jazzclub Neue Tonne ist der Auftakt für das 5. Festival JAZZWELTEN 2009, das die „Tonne“ unter dem Motto „Spannungsfelder“ vom 20. bis 28. März 2009 veranstaltet. Zu diesem Konzert des Contemporary Noise Sextets wird der Dresdner Jazzclub den Stand der Programmplanung für die 2009er JAZZWELTEN-Ausgabe vorstellen.

Montag, 27. Oktober 2008

Kazutoki Umezu kommt mit seiner wuchtig rockigen Kiki Band in den Jazzclub Neue Tonne Dresden


Zweifellos ist Kazutoki Umezu (2. v. l.) einer der produktivsten und wichtigsten Bläser, nicht nur Japans, sondern weltweit. Er hat in über 30 Ländern Konzerte gegeben, ist auf Festivals wie Moers, Vilnius, New York, Tokio, Singapore aufgetreten und hat mit einer großen Zahl von Musikern/Bands gespielt wie Mal Waldron, Lester Bowie, Olu Dara, Oliver Lake, David Murray, Rashid Ali, Peter Brötzmann, John Zorn, Tom Cora, Samm Bennett, Wayne Horvitz, Marc Ribot, B.B. King... Eine unglaubliche Liste, die zeigt, welchen Stellenwert Umezu als Bläser besitzt, welchen Respekt er unter Kollegen genießt und letztlich auch seine Lust verdeutlicht, Grenzen aufzulösen, zu experimentieren und zu improvisieren. Alles ist bei ihm in ständigem Fluss, nur der Sound seines Saxofons, seiner Klarinette ist konstant, klar, schön, stark, temperamentvoll und oft voller Humor.


Dies und noch viel mehr zu Umezu schreibt Olaf Maikopf über die anstehende Tournee der Kiki Band. Wer nicht nur lesen, sondern auch hören will, der kann dies tun: Am 31. Oktober (21 Uhr) konzertiert Umezu + Kiki im Jazzclub Neue Tonne Dresden!

Montag, 13. Oktober 2008

Glanzlichter zwischen Jazz, Blues und Pop






Anthimos Apostolis. (Foto: PR)

12. Internationales Budweiser Budvar Jazz- und Bluesfestival in Aussig (Ustí nad Labem) startet am 16. Oktober 2008


Vom 16. Oktober 2008 bis 18. Oktober 2008 sowie am 21. Oktober 2008 findet in Aussig (Ustí nad Labem) das Internationale Jazz- und Bluesfestival statt - übrigens bereits zum zwölften Mal. Nach wie vor gestalten die Macher um Ivan Dostál ein Festival, dessen Schwerpunkt auf Jazzrock, Souljazz sowie verschiedenen Formen des Blues liegt.
Höhepunkte in diesem Jahr sind sicher die Konzerte des Apostolis Anthimos Trios, des Deep Blue Organ Trios, des Freddie Cole Quartets, der Carl Palmer Band, von Roger Chapman and the Shortlist sowie - am 21. Oktober 2008 - von Erik Truffaz.

Anthimos Apostolis war einst einer der großartigsten Gitarristen von Niemen und 1971 Gründungsmitglied der Kultband SBB (Silesian Blues Band) – heute brilliert er längst mit seinem eigenen Jazztrio, zelebriert magisch-entspannte, in großen melodischen Bögen konzipierte Gitarrenimprovisationen.
Chris Foreman spannt auf seiner Hammond im Deep Blue Trio einen stilistischen Bogen von einer bedächtigen „Light My Fire“-Interpretation bis zu fingerflink vorgetragenen Up-Tempo-Kansas-City-Jump-Titeln.
Freddie Cole ist der jüngere Bruder von Nat King Cole und der Onkel von Natalie Cole – sein Ray-Charles-ähnlicher Gesang und sein federndes, relaxtes Piano-Spiel begeistert seit vielen Jahren das Jazzpublikum beiderseits des Atlantik.
Interessant bei Carl Palmer ist, dass dessen Trio die „Bilder einer Ausstellung“ von Modest Mussorgsky in einer bis dahin für dieses Werk unüblichen Besetzung aufführt – nämlich ohne dräuende, sound-kitschige Bombast-Keyboards, sondern als harte Rockband mit Drums, Bassgitarre und E-Gitarre.
Magic Slim ist mit seiner Band The Teardrops einer der bekanntesten Vertreter des „West Side Chicago Blues“ – wenn er am Sonnabend, den 18. Oktober 2008 aufspielt, wird der Saal wohl übersprudeln – und das Publikum für Roger Chapman and the Shortlist so richtig „weichgekochen“.
Gewissermaßen als Festival-Nachkonzert tritt Erik Truffaz am Dienstag, den 21. Oktober 2008 (20 Uhr) mit seinem Stammquartett auf, das erst vor einem Jahr die aktuelle Truffaz-CD „Arkhangelsk“ veröffentlicht hat – zu hören sind Experimente im Spannungsfeld zwischen Jazz, Elektronik, modernen Club-Grooves, Rock-, Pop- und Ethno-Elementen; Erik Truffaz geht mit diesen Songs enger denn je auf Tuchfühlung mit anspruchsvollem Pop.

Die Förderung des Jazznachwuchs durch den Junior-Jazz-Wettbewerb, der gemeinsam mit der Tschechischen Jazzgesellschaft ausgerichtet wird, gehört zu den Kontinuitäten, mit denen das Festival brilliert. In den Endausscheid, der am Donnerstag, den 16. Oktober 2008 (ab 19 Uhr) ausgespielt wird, haben es vier Bands geschafft. Mit dem Trio Ring auch eine in Dresden mittlerweile namhafte Nachwuchsband, die vor allem für ihre eigene Konzertreihe „Feature-ring“ bekannt geworden ist. Die weiteren teilnehmenden „Junior“-Bands sind das Switch On Quintet und Biotone, beide aus Polen, sowie Mocca Malacco aus Tschechien.

Insgesamt treten an den drei Festival-Abenden 15 Bands mit Musikern aus acht Ländern auf.
Neu sind diesmal zwei Dinge: Das Festival heißt nun „Budweiser Budvar Jazz & Blues Festival“ und die Samstagskonzerte am 18. Oktober finden im deutlich größeren und renovierten Kulturhaus von Aussig statt. Detaillierte Angaben über sämtliche Konzerte sowie zu den Tickets findet man - trotz der tschechischen Sprache ganz gut verstehbar - auf der Internetseite des Festivals.

Montag, 29. September 2008

„Komplett-Musik“ in farbigen Sounds

CD-Tipp: Damit hat sie sich entlarvt. Entlarvt als Musikantin mit wirklich eigenem Kopf. Mit dieser Version von „Eleanor Rigby“, einer atemberaubend heutigen Sicht auf ein historisches Kammerpopmusikstück der Beatles, macht Alexa Rodrian Furore. Doch nicht nur die auf der aktuellen CD „All done and dusted“ befindliche Dame Rigby überzeugt – sämtliche Songs sind intelligent und unterhaltsam zugleich.

Mehr über Alexa Rodrians CD „All done and dusted“ bei SCHÖNE TÖNE.

Donnerstag, 18. September 2008

Wieder Brasilianisches mit Gabriele Mirabassi

CD-Tipp: Der Kreis schließt sich, der aus Perugia in Italien stammende Klarinettist und Komponist Gabriele Mirabassi geht seinen Weg. Nach „Velho Retrato“ und „Uno a Zero“ legte er schon vor einiger Zeit mit „Graffiando Vento“ das bis dahin dritte Album mit brasilianisch beeinflusster Musik vor.

Mehr über die CD „Graffiando Vento“ von Gabriele Mirabassi und Guinga bei SCHÖNE TÖNE.

Mittwoch, 17. September 2008

Jazz in den norwegischen Charts

CD-Tipp: In Deutschland noch nicht allzu sehr bekannt, ist Lien in Skandinavien schon seit einigen Jahren ein Großer: Sowohl als Pianist in der Band der Sängerin Silje Neergard als auch – vor allem – als Chef des eigenen Trios trat der norwegische Pianist hervor. „Hello Troll“ ist seit dem Jahr 2000 die dreizehnte CD Liens unter eigenem Namen und mittlerweile sogar in den norwegischen Charts aufgetaucht.

Mehr über die CD "Hello Troll" des Helge Lien Trios bei SCHÖNE TÖNE.

Mittwoch, 10. September 2008

Was gedacht werden muss, kann gedacht werden - ein kleiner Hinweis in Sachen Heimatland


Peter Lenk: "Global Players", Teil des am letzten Wochenende in der Gemeinde Bodman-Ludwigshafen am Bodensee enthüllten Kunstwerkes. (Foto: Peter Lenk)

Der Künstler Peter Lenk schockiert nicht. Wie auch angesichts des moralischen Verfalls der Politik und vieler Politiker? Peter Lenk befreit, denn er zeigt: Das, was gedacht werden muss, kann gedacht werden. ... Und sofort sind wieder Politiker zur Stelle, die geifertriefend fordern, dass das, was gedacht werden muss, nicht gedacht werden darf - und erst recht nicht gesagt...
Lenk hat recht, als er kürzlich im Fernsehen sinngemäß sagte, dass Kunst niemals so pornohaft (oder sagte er "pornografisch"?) sein könne wie diese Politik.

Was das mit Jazz zu tun hat? - In diesem Lenk-Werk ist Musike drin!

Dienstag, 9. September 2008

Silbernes Verdienstkreuz der Republik Polen für den Leipziger Jazzpublizisten Bert Noglik

Der Geehrte plant schon weiter: 2009 soll ein deutsch-polnisches Jazzfestival in Berlin stattfinden



Der renommierte Jazzpublizist und -journalist Dr. Bert Noglik (Leipzig) erhält am 10. September 2008 im Polnischen Institut Leipzig aus den Händen des polnischen Generalkonsuls Dr. Zbigniew Zareba eine der höchsten polnischen Auszeichnungen, das Silberne Verdienstkreuz der Republik Polen. Mit dem Verdienstkreuz werden Bürger geehrt, die sich besondere Verdienste um den polnischen Staat und seine Bürger mit Taten erworben haben, die nicht zu ihren sowieso zu erledigenden Pflichten gehören.
Dass mit Pawel Brodowski der Chefredakteur des Magazins "Jazz Forum" (JF) die Laudatio hält, kommt nicht von Ungefähr. Schließlich war Noglik von 1976 bis 1979 der erste deutsche Korrespondent dieses einzigen im Osten zugänglichen und in Polen herausgegebenen Jazzmagazins internationalen Niveaus, dann 1980 und 1981 (also bis zur Verhängung des Kriegsrechtes) vor Ort in Warschau sogar der Redakteur der deutschen JF-Ausgabe - übrigens mit einem Touristenvisum!
Damit hatte Bert Noglik erheblichen Anteil daran, dass Brücken sowohl zwischen Jazzern und Jazzinteressenten beider deutscher Staaten als auch zwischen polnischen und deutschen Jazzkreisen gebaut wurden. Das "Jazz Forum" hat ausführlich über polnische Jazzereignisse, polnische Jazzmusiker und -gruppen berichtet - Beiträge, die Bert Noglik für die deutschen Leser redaktionell betreut, bearbeitet und aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt hatte.
Darüber hinaus hat Bert Noglik polnische Musiker bzw. polnische Aspekte des Jazz in seinen Büchern und in zahllosen Artikeln in Ost und West bekannt gemacht und ins Rampenlicht gestellt. Nach 1990 traf das auch auf die Hörfunk-Arbeit Nogliks zu - immer hat er die Musik polnischer Jazzer in seine Jazzsendungen aufgenommen.
Als künstlerischer Leiter der Leipziger Jazztage konzipierte und präsentierte Noglik große, auf die polnische Musikkultur bezogene Projekte wie Zbigniew Namyslowski mit den Zakopane Highlanders oder das von ihm initiierte und künstlerisch betreute Programm "From The Past To The Present: Knife In The Water" mit Sequenzen aus Roman Polanskis Kultfilm "Das Messer im Wasser" und dem Tomasz Stanko Quartet. 2005 stellte er sogar das gesamte Festival in Leipzig unter das Motto "Jazz aus Polen". Im 2005-er Festivaljahrgang präsentierte Bert Noglik sowohl Wegbereiter als auch Newcomer des polnischen Jazz, überdies gab es ein von ihm geleitetes internationales Symposium zu den deutsch-polnischen Jazzbeziehungen.
Und es soll weitergehen: Für 2009 (28. - 30. Mai) plant der mittlerweile einflussreichste und schöpferischste deutsche Jazzpublizist und Festivalgestalter ein deutsch-polnisches Jazzfestival in Berlin - in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für Politische Bildung und der Jazzwerkstatt Berlin-Brandenburg.

Im Anschluss an die Auszeichnungsveranstaltung im Polnischen Institut Leipzig (Markt 10) gibt es ein Konzert mit dem Pawel Kaczmarczyk Audiofeeling Quartett.

Eintritt frei.

Montag, 8. September 2008

Internationales Budweiser Budvar Jazz- und Bluesfestival im Oktober 2008 in Aussig (CZ)

Vom 16. Oktober 2008 bis 18. Oktober 2008 sowie am 21. Oktober 2008 findet in Aussig (Ustí nad Labem) das Internationale Jazz- und Bluesfestival statt - übrigens bereits zum zwölften Mal. Nach wie vor gestalten die Macher um Ivan Dostál ein Festival, dessen Schwerpunkt auf Jazzrock, Souljazz sowie verschiedenen Formen des Blues liegt. Und auch die Förderung des Jazznachwuchs durch den Junior-Jazz-Wettbewerb, der gemeinsam mit der Tschechischen Jazzgesellschaft ausgerichtet wird, gehört zu den Kontinuitäten, mit denen das Festival brilliert. Neu dagegen sind zwei Dinge: Das Festival heißt nun "Budweiser Budvar Jazz & Blues Festival" und die Samstagskonzerte am 18. Oktober finden im deutlich größeren und renovierten Kulturhaus von Aussig statt.

Höhepunkte in diesem Jahr sind sicher die Konzerte des Apostolis Anthimos Trios (einst einer der großartigsten Gitarristen von Niemen und Gründungsmitglied von SBB), der Carl Palmer Band, von Roger Chapman and the Shortlist sowie - am 21. Oktober 2008 - von Erik Truffaz.
Detaillierte Angaben über sämtliche Konzerte sowie zu den Tickets findet man - trotz der tschechischen Sprache ganz gut verstehbar - auf der Internetseite des Festivals. Von Dresden ist Ustí nad Labem über die Autobahn in dreißig bis vierzig Minuten zu erreichen.

Donnerstag, 4. September 2008

Mitten unter den Leuten

Das 16. Chemnitzer Jazzfestival startet am 13. September

Mit einem Symposium zur Situation des Jazz in Sachsen und zur Förderung des Jazznachwuchses beginnt am 13. September 2008 (ab 9 Uhr) das 16. Chemnitzer Jazzfestival. Veranstaltungsort des Symposiums sind die Räume der Grundstücks- und Gebäudewirtschafts-Gesellschaft m.b.H. (GGG - erste Etage, Rathaus-Passage).

Um 15 Uhr am selben Tag fällt dann der klingende Startschuss: Unter dem Motto "Chemnitz swingt" gibt es das Eröffnungskonzert auf dem Jakobi-Kirchplatz mit vielen Nachwuchsbands sowie mit "C Major Jazz and No Waiters" mit Anett Putz - das Ganze läuft bis Mitternacht.
Sämtliche weiteren Konzerte des Festivals finden bis in die zweite Hälfte des Oktobers verteilt an verschiedenen Wochenend-Terminen statt.

Künstlerischer Höhepunkt ist der Auftritt des James Carter Quintets am 18. Oktober (20 Uhr) im Turmbrauhaus. Carter, einer der fulminantesten Saxofonisten der zeitgenössischen Szene, hat sich in den vergangenen zehn Jahren den Ruf eines der künstlerisch potentesten Nachfolger der Großen der fünfziger und sechziger Jahre wie Charlie Parker, John Coltrane oder Sonny Rollins erarbeitet und erblasen. Er wird von hochkarätigen Musikanten wie dem Trompeter Dwight Adams, dem Pianisten Gerald Gibbs, dem Drummer Leonard King und dem Bassisten Ralphe Armstrong begleitet.

Der besondere Wert des Chemnitzer Jazzfestivals liegt sowohl in seiner Absicht, die Konzerte unmittelbar in den Alltag der Menschen hineinzubringen (fast alle Konzerte finden bei freiem Eintritt im öffentlichen Raum statt, entweder im Atrium der Rathaus-Passage oder auf dem Jakobi-Kirchplatz) als auch in der Förderung des Jazznachwuchs aus der Region (was man am Programm leicht feststellen kann).
Das vollständige Programm entnehmen Sie den Internetseiten des Chemnitzer Jazzclubs.

Mittwoch, 3. September 2008

Alles rund um's Trommeln

Das 2. Dresdner Drumfestival findet am 20. September 2008 im Club Puschkin in der sächsischen Landeshauptstadt statt



Rund um's Trommeln und um Trommeln gehts beim 2. Dresdner Drumfestival. (Foto: www.afrikanisch-trommeln.de)

Mit 18 Workshops und acht Konzerten sowie vielen weiteren Angeboten wie Kinderprogramme, Musiker-Flohmarkt, Werkstatt und einem Talent Forum findet das 2. Dresdner Drumfestival am 20. September ab vormittags 11 Uhr (Einlass; Beginn 12 Uhr) im und am Dresdner Club Puschkin statt. „Nachdem das Erste Dresdner Drumfestival 2007 nur von deutschen Künstlern bestritten wurde“, so der Veranstalter und Schlagzeuglehrer Robert Eisfeldt, „werden wir in diesem Jahr internationaler.“ Mit dabei sind Spitzendrummer wie The Drumbassadors aus den Niederlanden, Peter York (UK), Phil Maturano (US), Aaron Thier (AUT), Markus Czenia, Dirk Erchinger, Jost Nickel, Ralf Gustke, Dirk Brand und viele weitere.
Zu den Konzerten der Workshop-Dozenten soll alles an Musikstilen geboten werden, was an einem Abend möglich ist und was „heutzutage und hierzulande“, so Eisfeldt, von einem Drummer gefordert werden könnte.

Zum Konzertabend dann, der ab 21 Uhr beginnt (ab da gelten die Abendpreise) und bis tief in die Nacht geht, treten die Bands Viroumania, Electric Outlet, Elektrio, Osis Krull, Böse Double Bang Allstars und Human Sampler auf und bieten Sounds von Rock über Jazz und Drum’n’Bass an.

Aus der Jazz-Sicht sind die Konzerte von Electric Outlet (mit Marcus Deml, Frank Itt und Ralf Gustke - das eigentliche Quartett tritt aus Termingründen diesmal lediglich als Trio, also ohne Tom Aeschbacher, an) und von Elektrio (mit Andreas Gundlach, Tom Götze und Christian Marien) besonders hervorzuheben.

Informationen:
2. Dresdner Drumfestival
Club Puschkin, Leipziger Str. 12
20. September 2008
Einlass: 11.00 Uhr
Beginn: 12.00 Uhr
Kinderprogramm, Ausstellungen, Talentforum, Floh Markt: 12.00 - 18.00 Uhr
Workshops: 12.00 – 20.00 Uhr
Drumshow – Abschluss der Workshops: 20.00 – 21.00 Uhr
Konzerte: 21.00 – 02.00 Uhr
Aftershow-Party ab 02.00 Uhr

Die Internetseite des 2. Dresdner Drumfestivals enthält alle aktualisierten Informationen. Dort kann man Informationen zu den Ticketpreisen erhalten und sogar Karten bestellen.

Dienstag, 2. September 2008

Freie Improvisation ist tatsächlich hemmungs-los


Die New Yorker Band Gutbucket musiziert. (Foto: PR)

Und es stimmt doch, was manche Musikliebhaber lediglich für ein Ideologem unter Freejazz-Freunden halten - freie Improvisation hat viel mit Individualität und Einiges mit hemmungs-losem Musizieren zu tun. Eine jetzt veröffentlichte Studie zweier US-amerikanischer Forschungseinrichtungen hat ergeben: Wenn Jazz-Musiker frei improvisieren, ist das Zentrum für Selbstkontrolle im Gehirn inaktiv. Das berichten Charles Limb von der Johns-Hopkins-Universität und Allan Braun von den National Institutes of Health. Dafür regen sich andere Regionen verstärkt, die mit Selbstbild, Selbstdarstellung und Aktivitäten mit individuellem Bezug zusammenhängen, sowie alle sensorischen Areale. Eine Zusammenfassung kann man auf der Website Gehirn und Geist lesen, den Volltext der Veröffentlichung lesen Sie im Original auf der Website der Public Library of Science (PLoS).

Montag, 1. September 2008

Jazzclub Neue Tonne Dresden startet am Wochenende in die neue Spielzeit

Mit einem musikalisch-literarischen Abend im Rahmen einer Konferenz des internationalen P.E.N.-Clubs am 6. September 2008 startet der Jazzclub Neue Tonne in die neue Spielzeit. Literatur spielt auch bei zwei weiteren Septemberveranstaltungen - diesmal im Rahmen der Bardinale - die zentrale Rolle. Doch im September geht es auch musikalisch so richtig los. Das gesamte Programm bis zum Jahresende steht zum heutigen Zeitpunkt fast vollständig fest und hält eine Menge hochkarätiger Höhepunkte bereit. Es ist nun auf der Webpräsenz des Jazzclubs Neue Tonne Dresden eingestellt, wenige Ergänzungen folgen in den nächsten Wochen.

Freitag, 29. August 2008

Phantasievolle Improvisationskunst

Das 12. Festival Frei Improvisierte Musik 2008 findet an zwei September-Wochenenden in der Blauen Fabrik Dresden wieder mit internationaler Beteiligung statt

Hartmut Dorschner tritt zur Matinee gemeinsam mit Baby Sommer am 28. September (11 Uhr) auf. (Foto: PR/Slaveboat)

Das Festival Frei Improvisierte Musik 2008: Geboten wird phantasievolle Improvisationskunst, deren ästhetisch-konzeptionelle Wurzeln hauptsächlich in der komponierten zeitgenössischen Musik des 20. Jahrhunderts und im Free Jazz liegen. Diese eher europäisch anmutende Improvisationsmusik verfügt längst über eine eigene Tradition. Sie erweitert die jazztypischen Gestaltungsprinzipien und verwendet Strukturen, die denen in der zeitgenössischen komponierten Musik verwandt sind. Charakterisiert wird dies durch die von Misha Mengelbergs geprägte Wortfügung des „instant composing“.

Die zwölfte Ausgabe des Festivals Frei Improvisierte Musik, die am 19. und 20. sowie am 27. und 28. September 2008 in der Blauen Fabrik Dresden stattfindet, bietet ein internationales, abwechslungsreiches Programm. Auftreten werden Vertreter der kreativen Dresdner Szene sowie große Namen der internationalen freien Improvisationsmusik.

12. Festival Frei Improvisierte Musik 2008 – Programm

Freitag 19. September 2008 (20 Uhr)

Martin Schulze (DD) – tb
Andrea Hofmann (DD) – v
Max Loeb (DD) – g

Dirk Marwedel (Wiesbaden) – sax
Philip Zoubek (Wien) – p

Samstag, 20. September 2008 (20 Uhr)

RAW & COOKED (Schweiz)
Jürg Solothurnmann – sax
Michel Wintsch – p
Christian Wolfarth – perc

Samstag 27. September 2008 (20 Uhr)

OBLIQUE ( Berlin )
Pierre Borel – as, cl
Derek Shirley – b
Hannes Lingens – dr

Günter Heinz (DD) – tb, fl
Andreas Scotty Böttcher (DD) – p
Matthias Macht (DD) – dr, perc

Sonntag 28. September 2008 (11 Uhr)

Matinee für die ganze Familie
Hartmut Dorschner (DD) – sax
Günter Baby Sommer (DD) – dr, perc
und italienische Überraschungsgäste

Sonntag 28. September 2008 (20 Uhr)

Gordon Grdina Trio (Canada)
Gordon Grdina – g
Karlis Stilins – b
Kenton Loewen – dr

(Ein englischsprachiges Interview mit Gordon Grdina befindet sich auf der Internetseite von Songlines Recordings.)

Künstlerische Leitung: Günter Heinz

Eintrittspreise: www.blauefabrik.com

Dienstag, 19. August 2008

Duo-Intimität vom Feinsten

Am 25. August 2008 feiert Günter Baby Sommer seinen 65. Geburtstag


Drummer Günter Baby Sommer ist ein europäischer Ausnahmeperkussionist. Der Trompeter Wadada Leo Smith gehört seit Jahrzehnten zu den inspirierendsten Mitgliedern der Chicagoer Szene. Schon die Ende der siebziger Jahre mit Sommer, Smith und dem mittlerweile verstorbenen Peter Kowald eingespielte Schallplatte Touch the Earth – Break the Shells gehörte zu den Sternstunden der Begegnung zweier Improvisationskulturen.
Die hier vorliegende aktuelle Duo-CD
Wisdom in Time mit Smith und Sommer – eine Art reduktive Fortsetzung und Erweiterung dessen, was viele, viele Jahre zuvor zu dritt ausgearbeitet wurde – bietet abstrahiert-fragile Duo-Kunst vom Feinsten! Zuhören können – dies zeichnet die beiden Musiker ganz besonders aus, eine Qualität, die auf dieser CD in frappierender Weise hörbar wird. Das Duo erschafft sich seinen eigenen, magisch wirkenden melodisch-perkussiven Klangraum. Die beiden lassen sich auf eine Duo-Intimität ein, in die sich ein Miles Davis nie gewagt hatte – er hatte auch keinen Sommer!

Kein Wunder, dass eine Jury der New Yorker Jazz-Internetplattform ALL ABOUT JAZZ diese CD zu den Jazz-CDs des Jahres 2007 gewählt hat.

Am 25. August 2008 feiert Günter Baby Sommer seinen 65. Geburtstag – Jazz und Sonstiges gratuliert herzlich!

Es geht nicht darum, authentisch zu sein

„Gesangsgöttin“ Savina Yannatou veröffentlicht ihr drittes ECM-Album

Festivalauftritte von WOMAD bis Moers, eine vielumjubelte Tour durch Spanien, dann im März 2005 durch die USA mit der Folge enthusiastischer Konzertrezensionen in den führenden Musikblättern der Staaten, schließlich die Ankündigung, dass sie den renommiertesten sardinischen Musikpreis, den Maria-Carta-Preis, am kommenden 1. Oktober überreicht bekommen wird, als erste Künstlerin überhaupt (Maria Carta war die Hauptinterpretin und der Megastar der sardinischen Musik) – die griechische Sängerin und Komponistin Savina Yannatou „erobert“ die Welt.

„Eine neue griechische Göttin des Gesangs“, schwärmten Kritiker vor fünf, sechs Jahren. Doch in Griechenland selbst hatte die Yannatou schon ab 1983 eine ganze Reihe von CDs herausgebracht – einen Liederzyklus zur Mutter Maria, Volkslieder aus dem Mittelmeer-Raum, sephardische, in Griechenland gesungene Lieder, Neuinterpretationen von Schlagern und Filmmusik des Komponisten Manos Hadjidakis, frühe eigene, Artrock-beeinflusste Songs aus den achtziger Jahren sowie Kinderschlaflieder –, 2003 betrat sie mit ihrer ersten ECM-Veröffentlichung „Terra Nostra“ (einer Anthology von Live-Aufnahmen aus ihren griechischen CDs) gewissermaßen gesamteuropäisches Terrain. Darauf enthalten sind traditionelle griechische Songs, ergänzt um ein Repertoire aus dem gesamten Mittelmeerraum: aus Albanien, Bulgarien, Korsika, Israel, dem Libanon, Tunesien, der Türkei, Sardinien, Sizilien, aber auch aus Frankreich und Spanien. Nun ist mit „Sumiglia“ die zweite ECM-Scheibe erschienen, auf der traditionelle Songs von Korsika und Palästina bis zur Ukraine dargeboten werden. Die Yannatou und ihr Ensemble erkunden mit Instrumenten wie Ud oder Ney das offene Feld zwischen nahöstlichen Strukturen, Folklore und moderner Jazz-Improvisation.

Doch wie eigentlich kam die 1959 geborene Griechin mit klassischer Gesangsausbildung und Neigung zu experimentellen Improvisationen überhaupt dazu, Folksongs zu singen? Als Savina nämlich 15 war, stand griechische Folklore im Dienst der Diktatur. Folklore schien Savina nur dann erträglich, wenn sie mit verfemter Rockmusik vermischt wurde. In den Achtzigern dann hatte die junge Sängerin Yannatou beträchtliche Erfolge mit Alter Musik, Weisen der Renaissance und des Barock. Und auf Empfehlung des Komponisten Nikos Kipourgos sang sie bald auch – anfangs nicht gerade begeistert – traditionelle Kinderschlaflieder. Und ausgerechnet diese Schlaflieder weckten ihr Interesse am Griechenfolk: „Ich fand es interessant, mich mit meiner Stimme einzulassen auf die Tradition, aber auch herauszufinden, wie ich so ein Repertoire meiner ganz eigenen Vorstellung von Gesang anpassen konnte.“

Für die Yannatou macht es Sinn, dass sie Albanisches nicht den Albanern überlässt und Sizilianisches den Sizilianern, sondern sich in Athen „native speakers“ sucht, um sich von ihnen dann wegen der korrekten Aussprache beraten zu lassen. „Ich höre mir die Aufnahmen genau an“, so die Sängerin zu ihrer Arbeitsweise, „studiere, wo die Stimme sitzt, wie phrasiert wird. Sobald ich das begriffen habe, kann ich nach meiner Version suchen. Sie soll dem Original gerecht werden, aber es geht dabei nicht darum, authentisch zu sein.“

Auch wenn nicht selten in Grenzgebieten manche bulgarische und griechische Lieder dieselben Melodien haben, liegt die eigentliche Klammer fürs Mittelmeer-Repertoire im Gesang von Savina Yannatou und der Art, wie ihr Ensemble Primavera en Saloniko begleitet. „Im Prinzip ist es mir aber wichtig, die Substanz der Lieder nicht anzutasten. Ich improvisiere nur da, wo es mir angemessen scheint“, kommentiert sie ihre Arbeit.

Nun Ende August 2008 soll das dritte ECM-Album der griechischen Sängerin und ihrer sechsköpfigen Gruppe Primavera en Salonico veröffentlicht werden. Mit der darauf enthaltenen Musik geht die Yannatou wiederum auf weite Erkundungsreise durch den Mittelmeerraum und Osteuropa. Aus Armenien, Bulgarien, Serbien, Kasachstan, Süditalien, Griechenland und der sephardischen Überlieferung stammen die Lieder, nach deren unterschwelligen Berührungspunkten diese neue CD „Songs of an Other“ forscht. Yannatou nutzt ihr vokales Spektrum zwischen experimentellen Techniken und berührend zartem Gesang jetzt noch mutiger aus, während sich die Arrangements (überwiegend von Kostas Vomvolos) von allen folkloristischen Klischees fernhalten – und doch durchaus impulsiv loslegen können.

Mathias Bäumel / PR


CD-Auswahl:
Songs of an Other , ECM
Sumiglia, ECM
Terra Nostra, ECM
Virgin Maries of the World, Lyra
Songs of the Mediterranean, Lyra
Sephardic Folk Songs, Lyra

Pao na Po sto Synnefo (Composed by: Manos Hadjidakis), Lyra

Mathias Bäumel / PR



Freitag, 15. August 2008

Gegen die Download-Fastfood-Kultur


Ernst-Ludwig Petrowsky musiziert zur Ausstellungseröffnung vor einem Bild von Strawalde. (Foto: Walter Neukirchen/PR)


Ausstellung „Wechsel der Sinne“ in Berlin verdeutlicht Miteinander von Jazz und Kunst

„Wechsel der Sinne“ heißt eine Ausstellung in der Berlin-Köpenicker Galerie Grünstraße, die sowohl dem schweizerischen Jazz-CD-Label INTAKT Records als auch einer ganzen Reihe von mit dem Label verbundenen Künstlern gewidmet ist. Gezeigt werden noch bis zum 23. August sowohl alle etwa 150 CD-Cover als auch Malerei und Grafik einiger jener Künstler, deren Werke für die Covergestaltung der INTAKT-CDs genutzt wurden: A.R. Penck, Strawalde (der nach Auskunft von Label-Inhaber Patrik Landolt auch extra Originale für die CD-Cover schuf), Hans Scheuerecker, Marion Stille, Gerda Lepke und Max Bill.

Zustande gekommen ist diese einzigartige Ausstellung durch Aktivitäten der Galerie selber. „Wir wollten“, so die Galeristin Brigitte Denecke, „auch in diesem Jahr mit einer geeigneten Ausstellung das bei uns in Köpenick laufende Jazzfestival Jazz in Town begleiten.“ Bei der Suche nach geeigneten Ausstellungsthemen und Objekten seien sie per Internet auf den Jazzclub Neue Tonne und dessen Kabinettausstellung zu CD-Covergestaltungen und schließlich auf das schweizerische Label INTAKT Records und die Dresdner Künstlerin Gerda Lepke gestoßen. Einer der Kuratoren, Hinrich Beermann, selbst als Saxofonist in der Berliner Szene aktiv, und Chef des Galerie-Fördervereins, hat dann den Kontakt zu INTAKT-Chef Patrik Landolt hergestellt.

Das Motto von Patrik Landolt für die visuelle Gestaltung der INTAKT-CDs lautet: „Jeder CD ihr eigenes Gesicht!“ Die Musik jeder CD sei so einzigartig, „dass ihre Singularität auch bei der visuellen Präsentation ausgedrückt werden soll“, so Landolt. Einige hervorragende Grafiker, allesamt ausgewiesene Kenner der Musik, arbeiten seit vielen Jahren regelmäßig für Intakt Records: Die ersten Platten und CDs gestaltet Ruedi Wyss, Dozent an der Zürcher Hochschule für Gestaltung und Kunst sowie Veranstalter des Taktlos Bern und von Ton Art. Seit vielen Jahren prägt der Zürcher Grafiker, Jazzkenner und passionierte Konzertbesucher Eugen Bisig das Erscheinungsbild. In jüngster Zeit bereichert der typografische Gestalter Jonas Schoder, Mitglied der Zürcher Musikerorganisation OHR, das INTAKT-Design. Viele international bekannte Künstler steuern Bilder für die INTAKT-Cover bei, darunter A.R. Penck, Max Bill, Peter Frey, Niklaus Troxler und Strawalde. „Fast immer schlagen die Musiker Maler oder Grafiker vor, deren Arbeiten für die visuelle Seite ihrer Musik verwendet werden sollten“, sagt Landolt. Gerade die auf INTAKT vertretende Elite des ostdeutschen Freejazz lege großen Wert darauf, dass das Hörbare mit einem adäquaten Sichtbaren korrespondiere. „Häufig“, so Landolt, „sind diese Musiker auch gut mit den bildenden Künstlern befreundet und deswegen mit deren Werken und deren Malweise vertraut.“ Künstler wie A. R. Penck, Strawalde, Marion Stille (der Lebensgefährtin von Johannes Bauer), Gerda Lepke oder Hans Scheuerecker sind bestens für solche Kooperationen geeignet, haben sie doch allesamt eine enge Beziehung zu heutiger improvisierter Musik und zu Freejazz, waren oder sind selbst nebenher noch musikalisch-improvisierend tätig. Mit ihnen wird das Motto lebendig, das auch über der Tätigkeit Landolts und seiner Musiker stehen könnte: „Nur was ins Morgen weist, ist wirklich heutig.“

Während sich viele andere Kleinlabels, die sich ebenfalls der Förderung innovativer zeitgenössischer Improvisationsmusik verschrieben haben, mit ihren Covergestaltungen aus marketing-strategischen Gründen vor allem die jeweilige Label-Identity bedienen und ausprägen (zum Beispiel HatHut, Winter und Winter, ECM...), wird Landolt mit den Coverdesigns der CDs seines Labels den individuellen Qualitäten der jeweils veröffentlichten Musik am besten gerecht. Und so gehört Intakt seit mehr als zwei Jahrzehnten zu jenen Aktivisten, die öffentlich immer wieder durch praktisches künstlerisches Tun zeigen, um welches audio-visuelles Anspruchsniveau insgesamt es in der Musik eigentlich gehen sollte. Dies kann man lustvoll beim Gang durch die Ausstellung „Wechsel der Sinne“ nachvollziehen und erleben. Es geht dabei nicht nur um das Zusammenspiel zwischen Kunst und Free Jazz in der DDR (wie eine Zeitung schrieb), sondern – weiter gefasst – um das Finden visueller Entsprechungen für Musik, das Wahrnehmen des Melodischen und Rhythmischen im Visuellen und letztlich auch darum, dass das Visuelle vom Wesen improvisierter Musik nicht zu separieren ist. Im Kontext heutiger Download-Fastfoodkultur eine wichtige Ausstellungs-Tat.

Mathias Bäumel

Infos:
„Wechsel der Sinne“ - Sommer-Jazz-Ausstellung
Galerie Grünstraße
Grünstraße 16
12555 Berlin

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag: 13 - 19 Uhr
Sonnabend: 10 - 14 Uhr

Die Ausstellung ist bis zum 23. August 2008 zu sehen