Eckard Schleiermacher vor einem kleinen Teil seiner Sammlunng. Foto: Hans-Joachim Maquet
Der Mann ist sax-besessen! Im Jahre 1995 kaufte er sein erstes Saxofon, und seit 2000 begann er, Devotionalien zum Thema Saxofon zu sammeln: Von der Briefmarke, Postkarte, großformatigen Porträtbildern vieler berühmter Saxofonisten des Schnellmalers John Fröhlich (USA) auf Acryl, Fotoalben, Zeitungsartikel, Plakate, Tonträger, Grammofone, Schellackplatten, Accessoires, Filme, etwa 500 (!) verschiedene kleine Figuren, bis hin zu wertvollen Saxofonen ist seither eine riesengroße, skurril wirkende Sammlung entstanden! Doch der Sammler, Eckard Schleiermacher, beruflich als Apotheker tätig, frönt dem Saxofon nicht nur mittels seiner ausufernden Kollektion, sondern auch praktisch als Musiker. Eckard spielt Baritonsaxofon: manchmal in der Heidenauer Drugmiller’s Bigband (unter Leitung von Dietmar Pester, Kammervirtuos der Dresdner Philharmonie), später in der Bigband des Heinrich-Schütz-Konservatoriums Dresden bzw. in der Dresden Bigband, und er ist Mitbegründer der deutschen Apotheker Big Band. Spätestens an diesem Punkt kreuzten sich seine Wege mit denen des Jazzclubs Tonne. Die musizierenden Apotheker mischten den Dresdner Jazzclub zu dessen Konzertwochenende »Jazz hält gesund – Mediziner spielen Jazz« am 27. Juni 2003 auf. Mal ganz abgesehen davon, dass Eckard Schleiermacher mit seinem eigenen Saxofonspiel, vor allem jedoch mit Exponaten seiner Sammlung, ein stets gern gesehener Gast bei den »Dresdner Saxophon-Messen« war und ist, die der Instrumentenbau Walsch gemeinsam mit dem Jazzclub Tonne seit 1992 alle zwei Jahre veranstaltet.
Doch dem Eckard Schleiermacher – sein jüngerer Bruder Steffen ist ein international bekannter Komponist, sein Sohn Johannes ein renommierter junger Jazz-Saxofonist – war das noch längst nicht genug der »Saxofonie«. Es musste eine eigene Spielstätte und damit auch ein charmanter Ausstellungsort für die Schleiermacher’sche Sammlung her!
Der in einem Vierseithof in Pohrsdorf am Nordrand des Tharandter Waldes wohnende Sax-Fanatiker begann, dafür seinen alten Schweinestall umzubauen; dessen letzter Bewohner wurde 2006 geschlachtet, dann hatte die »Ferkelei« ein Ende. Im Jahre 2008 wurde aus dem Grunzen ein »Tröten«, denn damals starteten die ersten Musikauftritte noch im privaten Kreis, seit 2011 laufen die Veranstaltungen als öffentliche Konzerte. Mittlerweile ist das sage und schreibe 350. Konzert (!) Geschichte, insgesamt traten bisher etwa 700 Musiker aus etwa dreißig Ländern im Saxstall, wie das Etablissement seither heißt, auf.
Unter diesen Musikern sind solche aus der Region Dresden wie auch Größen auf internationaler Ebene, Berliner Avantgardisten wie auch Gäste aus dem Ausland. »Wir bieten eine Bühne für viele Projekte«, sagt Schleiermacher. Dies sei wichtig für die Musiker aus der sächsischen Hauptstadt, die wegen der kurzen Anfahrtswege häufiger, aber auch gern hier auftreten. »Doch auch Musiker aus der Ferne können hier mit Genuss spielen.«
Die Konzerte kosten keinen Eintritt, jedoch die Gäste spenden wohlwollend und je nach persönlichem Vermögen jeder sein Sümmchen, um diese einmalige Konzertbühne am Leben zu erhalten. Was dann noch fehlt, zahlt Eckard Schleiermacher privat drauf.
»Es gibt Leute, die noch komischere Hobbys haben als ich«, schmunzelt der »saxophile« Apotheker. Das Ganze funktioniert also wie eine Art »überdachte Straßenmusik«, und tatsächlich kommt es bei gutem Wetter auch immer wieder zu Straßenmusik im Hof vor dem Saxstall; unter der ausladenden Krone eines riesigen Walnussbaumes traten schon Größen wie Gunter Hampel auf.
Stilistisch ist in Pohrsdorf fast alles möglich, die Freude am Musizieren steht im Vordergrund: Freejazz, Hardbop, Kammermusik, Swing, Ethno, freie Improvisationsmusik, Experimentelles aus den Gebieten zwischen Musik, Lyrik und Theater. Der Nestor des Dresdner Modern Jazz, Peter Setzmann, konzertiert hier ebenso wie blutjunge, noch im Studium befindliche Musikanten, US-Größen wie die Tiptons oder Gunter Hampel ebenso wie Gebhard Ullmanns Klarinettentrio, der Saxophon-Actor Dietmar Diesner oder der böhmische Über-Pianist Emil Viklicky mit Scott Robinson.
Konzert im Saxstall mit Uli Gumpert und Silke Eberhardt. Foto: Hans-Joachim Maquet
Die Atmosphäre ist urgemütlich, Sofas, Sessel und Stuben-Stühle für die Besucher, dazwischen ältere Tische aus früheren guten Stuben oder zur Ablage umgebaute Nähmaschinen, ein Tresen fürs flüssige Gold, im Stubenumlauf über den Fensterbögen Ablage-Boards für einige der Sammlerstücke.
»Der Saxstall ist einer der schönsten Auftrittsorte im Großraum Dresden«, hebt der Posaunist Günter Heinz hervor. »Ich spiele sehr gern dort, weil einfach alles stimmt: ein freundlicher, nahezu familiärer Empfang, gute Musik in schöner Atmosphäre mit hervorragender Sammlung von Instrumenten und immer wieder ein aufgeschlossenes Publikum.« Viele weitere Musiker heben den Charme dieser Spielstätte hervor. »Die Atmosphäre hier ist ganz besonders, ich spiele deswegen sehr gern hier«, sagt der Dresdner Schlagzeuger Matthias Peuker. »Der Eckard Schleiermacher, ein Musikverrückter, ist ein sehr spezieller, sympathischer Typ. Schon wenn man Stunden vor dem Konzert von diesem familiären Klima mit Kaffee und Kuchen umsorgt wird, fühlt man sich einfach wohl. Und das Publikum ist immer interessiert, begeistert und begeisternd!« Dabei sei es sowieso ein Wunder, wie viele Leute in diesem dörflichen Umkreis den Weg in den Pohrsdorfer Saxstall finden!
Der Saxstall hat längst sein Stammpublikum und ein Einzugsgebiet, das von Freiberg bis Dresden, von Altenberg bis Döbeln reicht. »Unter meinem Pohrsdorfer Publikum habe ich neben Musikkennern, die auch anderweitig viele Konzerte besuchen, so beispielsweise ehemalige Musiklehrerinnen oder hier wohnende Professoren im Ruhestand, auch nicht wenige, die sonst kaum auf den Gedanken kämen, ein Jazzkonzert zu besuchen, eben Nachbarn und Freunde«, sagt Eckard Schleiermacher. Die kämen, weil im Dorf etwas los ist. Da freue es ihn besonders, wenn neben seiner eigenen Schwiegermutter weitere Bauersfrauen im Alter von Mitte siebzig bis achtzig auf dem Sofa sitzen und eine hinterher meint: »Ich verstehe ja eigentlich nichts davon, aber es war wieder richtig schön. Nee, wie die spielen können, diese jungen Leute, schön, dass du das hier machst, Ecki.«
Und dass nicht nur aus allen Himmelsrichtungen anreisende Jazzfans, sondern auch die Einwohner der Gegend rund um Pohrsdorf begeistert sind, erkennt man auch daran, dass die Leute dort mit »saxmax« ein eigenes Saxofonensemble auf die Beine gestellt haben, das – natürlich – von Eckard Schleiermacher geleitet wird und das schon zu vielen Gelegenheiten, auch in Dresden, aufgetreten ist.
Mathias Bäumel
(Ein herzliches Dankeschön an Hans-Joachim Maquet für seine Hilfe!)
Das nächste Konzert im Saxstall:
Sonnabend, 21. Februar 2015 (17 Uhr):
Friedhelm Schönfeld Quartett (Berlin)
Friedhelm Schönfeld, Saxofon; Rolf von Nordensköld, Saxofon; Gerhard »Kubi« Kubach, Bass; Ernst Bier; Schlagzeug.
01737 Pohrsdorf bei Tharandt bei Dresden
Dorfstraße 87
http://www.saxstall.de
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Freitag, 20. Februar 2015
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