In den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 2./3. November 2013 hat Wolfgang Zimmermann eine Rezension zum Konzert von Charles Gayle am 31. Oktober 2013 in der »Tonne« veröffentlicht. Dort ist die Behauptung enthalten, dass Charles Gayle und Peter Kowald »in den 1960-er Jahren noch in der alten ›Tonne‹ im Kurländer Palais« ein Konzert gegeben hätten. Das jedoch ist falsch.
Der Autor Wolfgang Zimmermann ist diesbezüglich den trügerischen, vermeintlich authentischen Erinnerungen eines in die Jahre gekommenen Mannes aufgesessen. Die IG Jazz innerhalb der Kulturbund-Stadtorganisation von Dresden – der spätere Jazzclub Tonne – wurde am 18. März 1977 gegründet. Allein schon deswegen stimmt diese Behauptung nicht. Am 13. März 1981 weihten die IG-Mitglieder mit einer Menge Musiker die in vielen Aufbaustunden rekonstruierten Kellergewölbe unter der Ruine des Kurländer Palais ein. Erst ab diesem Zeitpunkt fanden in der sogenannten »Tonne« Konzerte statt – nicht früher. Vor dem März 1981 veranstaltete die IG Jazz (später »Tonne« genannt) Konzerte bekanntlich in verschiedenen gemieteten Räumen – in Hörsälen, im Rundkino, in der Spirale.
Das erste Konzert Charles Gayles in Dresden und in der »Tonne« fand am 5. November 1995 statt. Danach konzertierte er nochmals am 3. November 2002 und nun am 31. Oktober 2013 in der »Tonne«.
Woran sich Zimmermann zufolge Charles Gayle zu erinnern glaubt, ist sicher ein für das Publikum überraschender Auftritt zu den Jazztagen in Leipzig im Jahre 1984 – vermutungsweise der erste Auftritt Gayles in Deutschland und Europa überhaupt. Der Bassist Peter Kowald und A. R. Penck hatten Gayle damals in den Straßen von New York entdeckt und zunächst zur Teilnahme am Sound Unity Festival in New York eingeladen (Film von Ebba Jahn »Rising Tones Cross«). Kowald nahm dann Charles Gayle mit nach Europa, wo er als Überraschungsgast in Leipzig die Zuhörer begeisterte.
Insbesondere die spätabendliche Jam Session in der Moritzbastei – aus der Erinnerung Jahrzehnte später von der Anmutung durchaus der »Tonne« ähnlich – gemeinsam mit Peter Kowald und weiteren Spitzenmusikern des westdeutschen und des DDR-Freejazz brachte das Publikum »zum Kochen«. Matthias Creutziger, dem ich diesen Hinweis zu verdanken habe, erwähnte diesen Gayle-Auftritt in einem Artikel in der damaligen Tageszeitung UNION.
Noch vor seinem ersten »Tonne«-Konzert spielte Charles Gayle im Trio mit dem Bassisten Christoph Winckel und dem Drummer Willy Kellers am 3. November 1995 in der Kuppelhalle Tharandt (Dank an Thomas Morgenroth) sowie danach noch am 6. November 1995 in Freiberg im Duo gemeinsam mit dem Bassisten Christoph Winckel.
Auch nach Freiberg kam er später noch einmal wieder: am 21. April 2007 zu den Freiberger Jazztagen (17 Uhr solo-p im dortigen Stadt- und Bergbaumuseum, im Trio mit Hilliard Greene und Klaus Kugel abends im Mittelsächsischen Theater).
Mathias Bäumel
(Foto oben: Jazzclub Tonne / Jürgen Lösel)