Der Jazzpianist, Komponist, Bigbandleiter und Hochschullehrer Günter Hörig ist tot. Er verstarb knapp 82-jährig am 17. Januar 2009. Mit Professor Günter Hörig verliert die deutsche Jazzszene einen ihrer profundesten Protagonisten der ersten Stunde, einen der fähigsten Jazzpädagogen und den wichtigsten Aktivisten für die Etablierung einer Nachkriegsjazzszene in Dresden.
Kaum ein Musiker hat in dem solchen Ausmaß wie Günter Hörig die Entwicklung des modernen Nachkriegsjazz in der DDR geprägt. Bereits 1947 hatte Hörig ein blutjunges Jazzsextett, als der Pianist 1952 die 1946 von Joe Dixie gegründeten Tanzsinfoniker übernahm, gab er damit gleichzeitig gemeinsam mit Gesinnungs- und Orchestergenossen den Startschuss für eine in jenen Jahren stilbildende Art des Jazzmusizierens in der DDR: Gespielt und in gewissem Maße somit auch propagiert wurden – damals zu Recht viel umjubelt, aber teils von den Kulturpolitikern beargwöhnt oder gar staatlichen Repressalien ausgesetzt – Swing und einige Jahre später auch gemäßigte Moderne in einem hochartifiziellen, konzertant anmutenden Gewand.
Günter Hörig begründete 1962 gemeinsam mit einigen „seiner“ Tanzsinfoniker und weiteren Mitstreitern an der Dresdner Musikhochschule die Fachrichtung Tanz- und Unterhaltungsmusik, aus der die heutige Fachabteilung Jazz, Rock, Pop hervorging. Das war deutschlandweit die erste Einrichtung, an der eine Vollausbildung Jazz, Rock, Pop mit Diplomabschluss angeboten wurde. Professor Rainer Lischka, Komponist, Musiktheoretiker, Arrangeur und selbst dem Jazz zugeneigt, betonte in seinem Rückblick anlässlich der offiziellen Verabschiedung auch Hörigs aus dem Lehrerteam der Musikhochschule vor zwei Jahren: „Akademische Erfahrungen fehlten damals gänzlich, so dass die Unterrichtsgestaltung, Lehrpläne und die dazugehörigen Stundentafeln erst entwickelt werden mussten. Das alles wurde mit viel Elan, Phantasie und Durchsetzungsvermögen geschafft. Dass dabei der Jazz immer an vorderster Stelle stand, ist vor allem Günter Hörigs Persönlichkeit und Autorität zu danken.“
Da Günter Hörig von Anfang an, zunächst als Student, dann als Lehrer, mit „seiner“ Dresdner Musikhochschule verbunden war, gingen Musikanten- und Lehrerleben Hand in Hand – für viele seiner Studenten eine glückliche Fügung. Auch als sich ab der Mitte der sechziger, Anfang der siebziger Jahre in der DDR das Spektrum der Stile und Spielauffassungen durch die Herausbildung von Freejazz und Jazzrock Schritt für Schritt zu verbreitern begann, stand Hörig unbeirrbar für den Grundsatz „Handwerk hat goldenen Boden“ – ein Prinzip, für das besonders Dresden und seine Musikhochschule bekannt wurde.
Wenn - um im Bereich des Jazz zu bleiben - zwei der wichtigsten Innovatoren des freien europäischen Jazz, Baby Sommer und Conny Bauer, ihr „Handwerk“ in den sechziger Jahren in Günter Hörigs Tanzmusikabteilung der Dresdner Hochschule erlernten, spricht dies für den Nestor des Dresdner Swingpianos und seine Kollegen.
Günter Baby Sommer: „Für mich ist mit dem Tode von Günter Hörig die für den frühen Dresdner Jazz wichtigste Person gegangen. Günter Hörig hatte sich nicht erst mit dem Aufbau und seinem Wirken an der Abteilung Tanz- und Unterhaltungsmusik der Dresdner Musikhochschule große Verdienste erworben, sondern schon in den fünfziger Jahren, als er entscheidend als freischaffender Jazzer zur Herausbildung einer Dresdner Jazzszene beitrug.“ Auch wenn, so Sommer weiter, Günter Hörig auf anderen stilistischen Gebieten als Sommer selbst unterwegs war, könne man nicht genug die innovatorische Leistung Hörigs der damaligen Zeit herausstreichen.
Stets fühlte sich Günter Hörig auch bis ins Alter hinein inmitten seiner Studenten – und zunehmend Absolventen – wohl, und denen machte es Spaß, mit dem Meister zu musizieren. Noch in den letzten Jahren standen Jüngere gemeinsam mit Günter Hörig auf Dresdner Bühnen und brachten Zuhörer „zum Kochen“. Immerhin: Das Dresdner Publikum wertschätzte, was Günter Hörig, der als Komponist nicht nur Jazz-Concertos, sondern auch Bühnen- und Filmmusiken geschaffen hat, mit einigen seiner ehemaligen Schüler an swingendem Modern-Bop-Feuerwerk so drauf hatte.
Günter Hörig hatte einst, Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre, persönlich erlebt, wie mit dem Orchester Heinz Kretzschmar eine Jazzband aus (pseudo-) politischen Gründen de facto aufgelöst wurde. Dass es ihm - sowohl als Hochschullehrer als auch als Orchesterleiter - in all den Jahren immer gelungen ist, „seinen“ Jazz in Dresden vor Anfechtungen zu schützen, ist sicher auch eines seiner Verdienste. Wenn Studenten heute John Coltrane, Peter Brötzmann, Thelonius Monk oder Cecil Taylor üben und Schlagzeug-Professor Baby Sommer weltweit zu den renommiertesten Perkussionisten zählt, sollte man auch an diese Art „Vorleistung“ Hörigs denken.
Mathias Bäumel
Kaum ein Musiker hat in dem solchen Ausmaß wie Günter Hörig die Entwicklung des modernen Nachkriegsjazz in der DDR geprägt. Bereits 1947 hatte Hörig ein blutjunges Jazzsextett, als der Pianist 1952 die 1946 von Joe Dixie gegründeten Tanzsinfoniker übernahm, gab er damit gleichzeitig gemeinsam mit Gesinnungs- und Orchestergenossen den Startschuss für eine in jenen Jahren stilbildende Art des Jazzmusizierens in der DDR: Gespielt und in gewissem Maße somit auch propagiert wurden – damals zu Recht viel umjubelt, aber teils von den Kulturpolitikern beargwöhnt oder gar staatlichen Repressalien ausgesetzt – Swing und einige Jahre später auch gemäßigte Moderne in einem hochartifiziellen, konzertant anmutenden Gewand.
Günter Hörig begründete 1962 gemeinsam mit einigen „seiner“ Tanzsinfoniker und weiteren Mitstreitern an der Dresdner Musikhochschule die Fachrichtung Tanz- und Unterhaltungsmusik, aus der die heutige Fachabteilung Jazz, Rock, Pop hervorging. Das war deutschlandweit die erste Einrichtung, an der eine Vollausbildung Jazz, Rock, Pop mit Diplomabschluss angeboten wurde. Professor Rainer Lischka, Komponist, Musiktheoretiker, Arrangeur und selbst dem Jazz zugeneigt, betonte in seinem Rückblick anlässlich der offiziellen Verabschiedung auch Hörigs aus dem Lehrerteam der Musikhochschule vor zwei Jahren: „Akademische Erfahrungen fehlten damals gänzlich, so dass die Unterrichtsgestaltung, Lehrpläne und die dazugehörigen Stundentafeln erst entwickelt werden mussten. Das alles wurde mit viel Elan, Phantasie und Durchsetzungsvermögen geschafft. Dass dabei der Jazz immer an vorderster Stelle stand, ist vor allem Günter Hörigs Persönlichkeit und Autorität zu danken.“
Da Günter Hörig von Anfang an, zunächst als Student, dann als Lehrer, mit „seiner“ Dresdner Musikhochschule verbunden war, gingen Musikanten- und Lehrerleben Hand in Hand – für viele seiner Studenten eine glückliche Fügung. Auch als sich ab der Mitte der sechziger, Anfang der siebziger Jahre in der DDR das Spektrum der Stile und Spielauffassungen durch die Herausbildung von Freejazz und Jazzrock Schritt für Schritt zu verbreitern begann, stand Hörig unbeirrbar für den Grundsatz „Handwerk hat goldenen Boden“ – ein Prinzip, für das besonders Dresden und seine Musikhochschule bekannt wurde.
Wenn - um im Bereich des Jazz zu bleiben - zwei der wichtigsten Innovatoren des freien europäischen Jazz, Baby Sommer und Conny Bauer, ihr „Handwerk“ in den sechziger Jahren in Günter Hörigs Tanzmusikabteilung der Dresdner Hochschule erlernten, spricht dies für den Nestor des Dresdner Swingpianos und seine Kollegen.
Günter Baby Sommer: „Für mich ist mit dem Tode von Günter Hörig die für den frühen Dresdner Jazz wichtigste Person gegangen. Günter Hörig hatte sich nicht erst mit dem Aufbau und seinem Wirken an der Abteilung Tanz- und Unterhaltungsmusik der Dresdner Musikhochschule große Verdienste erworben, sondern schon in den fünfziger Jahren, als er entscheidend als freischaffender Jazzer zur Herausbildung einer Dresdner Jazzszene beitrug.“ Auch wenn, so Sommer weiter, Günter Hörig auf anderen stilistischen Gebieten als Sommer selbst unterwegs war, könne man nicht genug die innovatorische Leistung Hörigs der damaligen Zeit herausstreichen.
Stets fühlte sich Günter Hörig auch bis ins Alter hinein inmitten seiner Studenten – und zunehmend Absolventen – wohl, und denen machte es Spaß, mit dem Meister zu musizieren. Noch in den letzten Jahren standen Jüngere gemeinsam mit Günter Hörig auf Dresdner Bühnen und brachten Zuhörer „zum Kochen“. Immerhin: Das Dresdner Publikum wertschätzte, was Günter Hörig, der als Komponist nicht nur Jazz-Concertos, sondern auch Bühnen- und Filmmusiken geschaffen hat, mit einigen seiner ehemaligen Schüler an swingendem Modern-Bop-Feuerwerk so drauf hatte.
Günter Hörig hatte einst, Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre, persönlich erlebt, wie mit dem Orchester Heinz Kretzschmar eine Jazzband aus (pseudo-) politischen Gründen de facto aufgelöst wurde. Dass es ihm - sowohl als Hochschullehrer als auch als Orchesterleiter - in all den Jahren immer gelungen ist, „seinen“ Jazz in Dresden vor Anfechtungen zu schützen, ist sicher auch eines seiner Verdienste. Wenn Studenten heute John Coltrane, Peter Brötzmann, Thelonius Monk oder Cecil Taylor üben und Schlagzeug-Professor Baby Sommer weltweit zu den renommiertesten Perkussionisten zählt, sollte man auch an diese Art „Vorleistung“ Hörigs denken.
Mathias Bäumel