Mittwoch, 30. September 2009

Jazzclub Neue Tonne Dresden hat mit Steffen Wilde einen neuen Geschäftsführer


Der Jazzclub Neue Tonne Dresden hat mit Steffen Wilde (Jahrgang 1964) ab 1. Oktober 2009 einen neuen Geschäftsführer.

Der bisher in Halle/Saale tätige Wilde veranstaltet seit 1980 Konzerte mit zeitgenössischem Jazz. Er sammelte Erfahrung seit 1992 im Studentenklub Turm in Halle, war dort bis 2004 künstlerischer Leiter der Konzertreihe Turm Jazzclub. Später übernahm er die künstlerische Leitung der Konzertreihe Take 5 im Objekt 5, Halle. Von 1994–2003 war Steffen Wilde künstlerischer Leiter des Internationalen Moritzburg Jazzfestivals in Halle.

Seit 1997 betreibt er mit großem Erfolg die Künstleragentur Subtone Concerts, die zeitgenössische Jazzmusiker aus den USA, Japan, Österreich, der Schweiz und Skandinavien an mitteleuropäische Klub- und Festivalveranstalter vermittelt. Steffen Wilde soll die „Tonne“ nicht nur kaufmännisch, sondern vor allem auch künstlerisch leiten.

M. B.

Dienstag, 15. September 2009

Grafikdesign und Jazzclubwerbung – Überlegungen zu einem umstrittenen Thema


Jazzclubatmosphäre. (Foto: Jazzclub Neue Tonne Dresden)

Werbung haben sie alle nötig – die großen Kulturveranstalter wie die kleinen Jazzclubs. Aber wie wirbt man richtig? Wie wirbt ein Jazzclub als kleiner Veranstalter mit kleinem Budget trotzdem erfolgreich? Das Thema ist kompliziert und umstritten – nachfolgend ein paar Anmerkungen zur Gestaltung von Programmheften und -faltblättern, Plakaten und Anzeigen.

Vorüberlegung – Warum machen Unternehmen Werbung?

Die Antwort auf diese Frage ist nicht ganz so einfach wie im ersten Moment vermutet.

Natürlich werben sie, um ihre Produkte möglichst gut zu verkaufen. So weit klar – wenngleich auch in diesem anscheinend selbstverständlichen Punkt der Teufel im Detail liegt...

Aber Unternehmen werben auch, um Steuern zu sparen.

Und sie werben, um in der Öffentlichkeit ihre Unternehmensidentität mittels eines Corporate Designs zu schärfen, zu profilieren. Potenzielle Kunden oder Käufer sollen besser wissen, was, welche Leistungen und Produkte, manchmal auch welche Arbeitsweisen sie vom Unternehmen erwarten können.

Deshalb versuchen Unternehmen, sich selbst oder ihre Produkte zu „Marken“ zu entwickeln. Die damit zusammenhängenden Überlegungen münden zwangsläufig in das Bestreben, der künstlerischen Qualität, Kreativität und Originalität eine größere Rolle zuzumessen. An dieser Stelle kann, ja: muss Werbung zu Kunst werden.

Auf solche Weise prägen Unternehmen im ständigen Kampf um das Erreichen ihrer Firmenziele die visuelle Kultur unserer Gesellschaft mit.

Wenn Kulturveranstalter werben

Auf Kulturveranstalter treffen diese Überlegungen ganz besonders zu; das Bewusstsein, dass sie immer auch mitverantwortlich für die visuelle Qualität des Alltags sind, sollte bei ihnen deutlich ausgeprägt sein.

Gemeinnützige Vereine oder Staatsbetriebe erwirtschaften im Normalfall – anders als kommerzielle Agenturen und Veranstaltungshäuser – keine finanzielle Gewinne, die Frage des Steuersparens steht bei ihnen somit nicht. Da sie aber wesentlich mit „fremdem“ Geld von Förderern und Sponsoren arbeiten, sind sie in spezifischer Weise einem Erfolgsdruck ausgesetzt. Und die in den gemeinnützigen Vereinen unentgeltlich wirkenden Kulturenthusiasten wollen als „Lohn“ für ihr aufreibendes Ehrenamt wenigstens den Erfolg ihrer Veranstaltungen sehen – künstlerisch und in Besucherzahlen.

Printwerbung kleiner Kulturveranstalter

Warum also machen kleine Kulturveranstalter Werbung? Auch das ist nicht ganz so leicht zu beantworten wie im ersten Moment vermutet.

Natürlich werben sie, um viele Besucher zu ziehen. Allerdings: Die Werbewirkung der herkömmlichen Printmedien wie Monatsprogramme und Plakate ist bisher nicht wirklich untersucht. Während große Agenturen und Veranstaltungshäuser viel, viel Geld in eine flächendeckende Printwerbung stecken und auf diese Weise versuchen, auf „Nummer sicher“ zu gehen (nach dem Motto: Irgend etwas bleibt wohl bei jedem hängen...), steht den kleinen Kulturveranstaltern schon aus finanziellen Gründen dieser Weg nicht offen. (Besonders für sie ist Werbung mit eigenen Websites und E-Mail-Rundbrief unverzichtbar, denn sie kostet fast nichts, kann sofort auf Programmveränderungen reagieren und nutzt das Medium, das dem Publikumsnachwuchs am vertrautesten ist.)

Weil aber Werbung mit gedruckten Monatsprogrammen oder Plakaten richtig Geld kostet, suchen die kleinen Veranstalter händeringend nach Antworten auf die Fragen, wohin und wie Monatsflyer etwa verteilt werden sollten und wie sie gestaltet werden müssen, damit sie wirken.

Groß, grell, provokant – hilft das wirklich?

Es erfordert viel Mühe und gegebenenfalls viel Geld für eine entsprechende Studie, diese Fragen befriedigend zu beantworten.
Zusätzlich erliegt man schnell der Gefahr, mit wahrnehmungspsychologischen Schnellschüssen zu problematischen gestalterischen Lösungen für die Printwerbung zu gelangen. Groß, grell, provokant – solche Formensprachen sind längst nicht immer geeignete Mittel, mit denen man Aufmerksamkeit erregen und danach noch potenzielle Interessenten wirklich ins Konzert kriegen kann.

„Worauf ein Betrachter seine Aufmerksamkeit lenkt, wird ihm durch die verschiedenen Sozialisationspraktiken seines Kulturkreises wie beispielsweise die Erziehung eingeprägt“, erklärt die Forschung, so erst 2005 Hannah-Faye Chua (Universität von Michigan, Ann Arbor) in einer Studie „From the Cover: Cultural variation in eye movements during scene perception“.

Auch die kulturelle Bewertung der sichtbaren Gestaltungselemente ist abhängig von den verschiedenen Sozialisationssystemen und Subkulturen.

Klar, dass dies nicht nur auf die verschiedenen großen Kulturkreise zutrifft, sondern auch in spezifischer Form auf die vielen kleineren kulturellen Subsysteme.

So gilt beispielsweise die Schwarzweiß-Fotografie im Jazz-, Theater- und Konzertmusikbereich noch viele Jahre nach der Einführung der Digitalfotografie und des preiswerten Farbdruckes als wertvolles, adäquates künstlerisches Gestaltungsmittel, während sie in anderen Bereichen als langweilig oder gar unangemessen bewertet wird.

Eine ganze Reihe von extra entworfenen Schriften – exemplarisch sichtbar an der sich verändernden Titelschriftmarke der einstigen Techno-Zeitschrift „Frontpage“ – stehen symbolhaft für die Techno-Kultur, wie der Typografieprofessor Friedrich Friedl mit seinem Text „Buchstaben in Bewegung. Die Typografie der Techno-Generation“ ausführlich darstellte; in anderen musikkulturellen Zusammenhängen würde die Nutzung dieser Schriften und Gestaltungsweisen als deplaziert empfunden werden.

Mit anderen Worten: Was für den Einen „gepflegte Langeweile“ hervorruft, ist für den Anderen Professionalität, was auf den Einen provokant wirkt, ist für den Anderen Selbstverständlichkeit, was für den Einen missverständlich wirkt, ist für den Anderen in der Aussage glasklar – je nachdem, in welchen ästhetischen Zeichensystemen sich die Beteiligten zuhause oder angesprochen fühlen.

Printwerbung für den Jazzclub – aber wie?

Als Jazzclub mit seiner Printwerbung zu versuchen, Aufmerksamkeit in allen kulturellen Subsystemen – beim Rock- wie beim Volksmusikpublikum, unter den Freunden der zeitgenössischen Konzertmusik ebenso wie bei den Soul-, Blues- und Funkfans, bei den Chansonliebhabern wie bei den Freejazzfreunden – zu erzeugen, indem man die diversen Adressatengruppen jeweils in ihren spezifischen visuellen „Sprachen“ anspricht, ist ein hoffnungs- und sinnloses Unterfangen (würden doch zum Beispiel die Volksmusikfreunde sehr schnell merken, dass es sich um Jazz, nicht um Volksmusik handelt). Dies gilt noch stärker für die Bevölkerungsgruppe der allgemein Uninteressierten, für die man noch nicht einmal eine spezielle visuelle „Sprache“ feststellen kann.

Wenn also kleine Kulturveranstalter – auch Jazzclubs – schon Geld für Printwerbung ausgeben, obwohl sie eigentlich nicht wissen, wie und wie erfolgreich bestimmte Grafikgestaltungen bei wem wirken, so tun sie das ganz besonders auch, um vor der Öffentlichkeit, vor dem potenziellen Publikum, ihr eigens Profil, ihr eigenes Image zu schärfen. Sie tun es, um sich als Marke zu profilieren.

Wo „Jazzclub Neue Tonne Dresden“ drin ist, sollte die Werbung auch so gestaltet sein, dass dies erkennbar ist – und unter der Marke „Tonne“ symbolisiert sein.

„Jazz“ gibt’s in vielen Formen und überall – von Dixieland über Swing, von Fusion und Blues bis Free, von Crossover bis Cool, veranstaltet von kleinen Klubs bis zu Opern, von Kaufhäusern bis zu Agenturen, von Theatern bis zu Volksfesten.

Sowenig wie eine Semperoper für „Oper“, ein Staatsschauspiel für „Theater“ und ein Beatpol für „Rock“ werben, so wenig wäre es sinnvoll, wenn der Jazzclub Neue Tonne Dresden für „Jazz“ werben würde und erst in zweiter und dritter Linie mühselig erklärte, um welchen Jazz es sich denn handelt. Nein – die Einrichtungen sind zu recht bemüht, als eine Marke mit einem bestimmten, durchaus ausdifferenzierten Inhalt wahrgenommen zu werden und darüber an ihr Publikum zu gelangen.

„Zeichen setzen“ – Club ist als „Marke“ besser erkennbar

Klar ist, dass die Markenprofile sich immer wieder mal wandeln. Das veränderte visuelle Gesicht des Staatsschauspiels Dresden unter neuem Intendanten ist ein Beispiel dafür – wenn auch nicht gerade eins für gutes grafikdesignerisches Gelingen. Der neue Intendant bringt eine andere Programmatik mit, und dies soll durch ein anderes „Gesicht“ des Theaters verdeutlicht werden.

Vor allem der Beatpol Dresden, der Independent-Rockclub im Osten Deutschlands, zeigt, dass die Sache mit der „Marke“ funktionieren kann. Ohne sich vordergründig als „Rock“ zu rubrizieren, hat er sich ein Profil aufgebaut, dessentwegen das Publikum fast automatisch kommt, sogar ohne großen Werbeaufwand.

Klubs jedoch, die sich überwiegend den zeitgenössischen und experimentellen Musikformen widmen, verfügen nicht annähernd über ein so großes Publikumsreservoir wie ein Independent-Rockclub.
Sie müssen deswegen besondere Anstrengungen in der Werbung – vor allem auch in der Marken-Profilierung – unternehmen. Sie müssen weithin wahrnehmbar „Zeichen setzen“ – im doppelten Sinn: inhaltlich durch ihre Veranstaltungstätigkeit und werbegrafisch durch ihr bemerkenswertes „Gesicht“.

Für die Entwicklung eines solchen „Gesichts“ bedarf es normalerweise eines Fachmannes und einiger gründlicher Überlegungen.

Die Kompetenz der Grafikdesigner herauskitzeln, nicht darauf verzichten

Demgegenüber wird die Kompetenz konzeptioneller Denker und vor allem guter Grafikdesigner immer häufiger geringgeschätzt. Viele Auftraggeber vertreten die irrige Meinung, sie könnten die Entwicklung eines solchen visuellen „Gesichts“ eigentlich selbst leisten. Also schreiben sie den auftragnehmenden Grafikdesignern die grafische Lösung häufig bis in Gestaltungsdetails hinein vor – mit schauerlichen und sogar schädlichen Ergebnissen.

Nicht jeder Grafiker wird solche undankbaren Aufträge ablehnen können. Befragt danach, wofür Grafikdesigner, wenn sie die Aufträge haben, denn eigentlich ihr Geld kriegen, antwortete ein europaweit mehrfach ausgezeichneter Grafikdesigner mit ironisch-resignativem Unterton: „Ich wag mal 'ne Antwort: Für widerspruchslose Erfüllung der Auftraggeberwünsche.“

Aber kleine Veranstalter sind auf jeden einzelnen Besucher angewiesen – und darauf, dass sie bei potenziellen Förderern und Sponsoren, aber auch beim Publikum als Marke deutlich erkennbar sind.
Gerade sie sollten bei der Konzeption ihrer Werbemaßnahmen nicht auf die Kompetenz von Fachleuten, vor allem Grafikdesignern, verzichten, sondern die Kompetenz der Grafikdesigner herauskitzeln.

Im Jazzbereich gab und gibt es immer wieder positive Beispiele, allerdings vorwiegend für Festivals, so die zu dessen Lebzeiten von Jürgen Haufe entworfene Gesamtausstattung der Leipziger Jazztage oder auch – aktuell – das Corporate Design des Jazzfestivals Saalfelden.

Jazzclubs dagegen tun sich schwer.

Mathias Bäumel